Caroline - Teil 9

Am nächsten Morgen verschlafe ich! Gut, verschlafen kann man im Urlaub ja eigentlich gar nicht, ich erwache jedoch erst weit nach 9 Uhr. Aber nach einer richtig heißen Dusche und anschließender Rasur bin ich dann topfit. Das anschließende Frühstück nehme ich, fast schon gewohnheitsgemäß, auch heute mal wieder im Morgenmantel ein.

Was will ich heute unternehmen und was ziehe ich dazu an? Das sind die beiden für mich zunächst wichtigen Fragen. Nach den Nachrichten gehe ich deshalb erst einmal hinüber ins Schlafzimmer und inspiziere meinen Kleiderschrank.

Ich könnte einmal nach Bovlingbjerg hinüber fahren und die kleine Hornfabrik besichtigen. Hornfabrik heißt nun nicht das dort Horn hergestellt wird, sondern das dort Horn be- und verarbeitet wird. Von den Mengen an Schlachtvieh das früher in wochenlanger Wanderung über den historischen Ochsenpfad bis nach Hamburg getrieben wurde, kam das Horn teilweise wieder zurück nach Jütland. In Bovlingbjerg nun ist eine der letzten noch aktiven Firmen, die daraus Dinge des täglichen Bedarfs herstellt.

Als ich den Kleiderschrank öffne, gerät darin der Stapel mit den Strumpfpackungen ins rutschen. Und noch bevor ich reagieren kann, landen etliche klatschend auf dem Fußboden. Ich hocke mich hin und suche sie zusammen, wobei ich erstaunt bemerke, das ich mich diesmal ohne überhaupt daran zu denken, mit fraulich geschlossenen Knien hingehockt habe.

Eine Tüte von KUNERT, die unters Bett geflutscht ist, fällt mir zum Schluss in die Hände. EMOTIONS 20, und außerdem steht noch LANGSTRUMPF TRANSPARENT MATT, auf der Verpackung. Solche habe ich, anfangs meiner Strumpfträgerinnenkarriere, vor etwa eineinhalb Jahren, recht häufig angezogen. Zu den Strumpfhosen, die ich da schon täglich unter meiner Alltagskleidung trug, kamen seinerzeit die Damenstrümpfe, die Nylons hinzu.

Damals, als ich bereits etliche Monate lang in meiner Freizeit immer öfter Frauenkleidung trug. Wo es dann erstmals sogar Wochenenden gab, an denen ich von Freitagnachmittag bis Montagmorgen Caroline war.

Wobei,………. einen Namen hatte dieses Wesen, das dort in der Wohnung umher stöckelte, noch gar nicht. Die billige Faschingsperücke war ein Witz und Makeup ein Zauberwort. Eines das ich zwar schon gehört hatte, dessen Bedeutung aber damals noch in weiter Ferne lag.

Doch Übung macht den Meister, und so ganz allmählich entwickelte sich aus dem verkleideten Mann mit den langen schwarzen Haaren, und den grellen Farben im Gesicht, so etwas wie eine Frau. Zumindest optisch, denn es dauerte noch viele Wochenenden und Verkleidungseskapaden ehe ich auf den Fotos und Videos eine Frau erkannte. Denn viele, viele Schminkorgien lang brauchte ich, um zu ergründen, was ich wo und in welcher Menge auftragen sollte.

Dabei halfen mir die diversen Tipps aus den Frauenzeitschriften weiter. Trotzdem zeigten mir gerade die Videofilme immer noch ein typisch männliches Bewegungsmuster. Es dauerte ewig, bis ich lernte mich auch wie eine Frau zu bewegen. Und die typisch weiblichen Gesten habe ich wohl bis heute noch nicht drauf.

Trotzdem, das zeigen die letzten Tage deutlich, trotzdem scheinen mich doch recht viele Mitmenschen, wenigstens auf den ersten Blick, für eine Frau zu halten. Oder es ist ihnen tatsächlich völlig gleichgültig, wer da in welcher Kleidung herumläuft. Sei's drum, egal ob gleichgültig, oder tatsächlich feminin genug, um nicht sofort erkannt zu werden, ich will auch den Rest des Urlaubs als Caroline verbringen.

Diesen Namen habe ich mir aus der Regenbogenpresse entnommen. Ich hatte beschlossen dass mein zweites "Ich" einen Namen haben musste, und so fiel meine Wahl schließlich auf Stefanie. Aber der Name war einfach zu dicht an Stefan dran. Schon komisch, das dass simple anhängen von zwei kleinen Buchstaben gleich so viel bewirkt.

Schließlich fand ich Caroline noch besser und mein Vorbild ist die monegassische Prinzessin. Die ist auch stets recht feminin angezogen. Das scheint mit mir bisher hier in Dänemark auch ganz gut gelaufen zu sein, wenngleich ich gemerkt habe dass ich hier häufig die einzige im Rock bin.

Noch immer halte ich die Strumpfverpackung in den Händen. Es sind toll verarbeitete Strümpfe, transparent, glatt und seidig und an Spitze, Sohle und Ferse verstärkt. Leider sind sie nicht ganz so lang wie ich es gern hätte und gegenüber meinen Favoriten auch doppelt so teuer, aber eben auch von hoher Qualität. Und sie haben einen matten Touch, glänzen nicht so stark wie viele andere Strümpfe. Trotzdem vermitteln sie das klassische Nylons Tragegefühl, denn die Beine gleiten darin glatt und knisternd aneinander. Diese sind in Farbe Cashmere, einem hellen Braunton und ich beschließe sie heute einmal anzuziehen.

Wenn mein Rock nur lang genug ist, kann mir auch mit solchen Strümpfen nichts passieren. Notfalls werde ich einfach meinen ein wenig altmodischen, trotzdem aber nagelneuen Miederslip darüber tragen. Altmodisch deshalb weil er ziemlich lange Beine hat. Die reichen tatsächlich bis über die Verstärkung der Strümpfe hinweg. Echt Marke Omas Liebestöter. Aber damit bleibt auch kein Stück Haut am Oberschenkel nackt.

Doch was heißt schon Liebestöter? Wo keine Liebe, kein Verlangen ist, kann auch nichts getötet werden. Und überhaupt,.. mir ist nicht danach jemandem einen Blick unter meinen Rock zu gewähren. Weder soll irgendjemand meine Strumpfränder, meine Halter, noch meinen Miederslip sehen. Das mir ein Kerl unter den Rock schaut, davor graust es mich regelrecht.

Bei anderen Frauen schaut doch auch keiner was sie unter Hose oder Rock an haben. Ob sie darunter Strumpfhose, Strümpfe, Kniestrümpfe oder nur Feinsöckchen tragen.

Wobei, solche Feinkniestrümpfe zum Rock getragen finde ich ziemlich daneben. Das sieht für mein Empfinden richtig schlunzig aus, wenn bei jedem Schritt der Rocksaum die eingeschnürten Gummibündchen der Kniestrümpfe freigibt.

Noch schlimmer jedoch ist der Anblick dürrer, nackter, kalkweißer, knochiger und Krampfader verzierter Altfrauenbeine, an deren Ende dann ein Paar Feinsöckchen, in undefinierbar graubrauner Farbe, das Bild der Scheußlichkeit überleitet in geschnürte beige-graue Oma Pumps mit Blockabsatz.

Ich habe jetzt an vielen Tagen meine Strümpfe ganz normal unterm Rock angehabt. So wie Millionen Frauen es weltweit jahrelang auch praktizierten und teilweise wohl ja auch heute noch tun. Von der Nachkriegszeit an, bis Mitte der 60er Jahre, trug jede Frau doch ganz selbstverständlich ihre Nylons mit Halter. Und genau diesen zahllosen Frauen ist, wie auch bisher mir, nichts dabei passiert. Außerdem müssen auch heute noch bei uns Tausende von Frauen jeden Tag Nylonstrümpfe tragen; bei den Stückzahlen die produziert und ja wohl auch verkauft werden. Und da diese Strümpfe mit Sicherheit länger als einen Tag halten, gibt es für mich nur den Schluss dass es auch heute noch, oder wieder, Zigtausende Frauen gibt, die dieses schöne Gefühl nicht missen möchten.

Ich habe mich mit Nylons unterm Rock in Geschäfte und Umkleidekabinen gewagt und nur ein einziges Mal, als ich eine Laufmasche hatte, für Stirnrunzeln gesorgt. Aber das war ja auch meine Schuld! Ich hätte ja den kaputten Strumpf nicht über die Wand der Kabine zu hängen brauchen. Andererseits, wenn Verkäuferinnen schon einmal einfach in eine Kabine hinein schauen, etwa um zu helfen, dann kann es ihnen eben auch passieren das sie Strapsstrümpfe zu sehen bekommen. Und die tragen ja ganz offensichtlich auch heute noch, oder wieder, zahlreiche Frauen. Siehe weiter oben!

Ob aus Überzeugung, Bequemlichkeit, oder weil es billiger ist immer nur einen Strumpf zu ersetzen, muss dabei jede für sich entscheiden. Ich jedenfalls mag Strümpfe weil ich mich darin femininer und fraulicher fühle. Aber das ist meine Sichtweise und jede andere lasse ich ebenso gelten.

Doch genug der Grübelei, ich suche mir mein Korselett heraus und überlasse mich, als das stramme Lycra endlich richtig sitzt, seinen formenden Kräften. Das Anziehen ist allerdings bei diesem Teil schon eine richtige Anstrengung. Denn bevor ich den Reißverschluss hinauf ziehen kann, muss ich zuerst einmal die zahllosen Haken schließen und meine Brüste richtig platzieren. Jetzt kann ich auch gleich noch schnell und relativ problemlos meine Polster darunter positionieren. Die runden an meinen Backen und die beiden länglichen an den Hüften. Und als endlich Alles zu meiner Zufriedenheit gut sitzt, schaue ich einmal kurz in den Spiegel. Jaaa, da deutet sich doch wieder die feminine Sanduhr Figur an.

Jetzt die Strümpfe! Die klassische Strumpfverpackung lässt sich leicht öffnen und die glatten und seidigen, begehrenswerten Hüllen, gleiten zusammen mit dem Einlegepapier heraus. Schnell ist der erste Strumpf gerafft, denn das habe ich mittlerweile so oft gemacht, das es wie von selbst geht.

Wenige Sekunden später bereits, blitzen keck meine rot lackierten Fußnägel durch die dezente Spitzenverstärkung. Jetzt muss ich nur gleichzeitig vorsichtig und trotzdem kräftig ziehen, damit die Ferse anschließend perfekt sitzt. Geschafft! Und nun den Fuß schön strecken und den restlichen Strumpf langsam und unter ständigem und kräftigem Zug nach oben streifen. Obwohl die Größe 41-42 sein soll muss ich es so machen, sonst fehlen mir nachher oben herum etliche Zentimeter.

Warum die Strumpfindustrie ihre Strümpfe und Strumpfhosen so mit gestrecktem Fuß strickt weiß ich auch nicht. Längst nicht alle Strumpfträgerinnen ziehen dazu doch auch High Heels an. Bei den Billigschläuchen ohne eingestrickte Ferse ist das klar, da geht's nicht anders. Aber warum bei den guten und teureren Strumpfwaren so wie in den 50er Jahren verfahren wird ist mir schleierhaft.

Wenn ich nämlich jetzt einmal ziemlich flache Damenschuhe anziehe; gut zugegeben, das kommt sehr selten vor, dann habe ich sofort kleine Fältchen auf dem Spann.

Aber mal ehrlich. Schaut man sich einen Nylonstrumpf, oder eine gute Strumpfhose mit Fersenverstärkung einmal ganz neu aus der Verpackung heraus an, stellt man fest, dass das Fußteil in der Form angestrickt ist, als würde Frau gleich nach dem Anziehen in einen der höchsten Stöckelschuhe schlüpfen. Gut, mir kann das nur Recht sein, ich werde auch heute wieder hohe Schuhe anziehen. Wahrscheinlich hängt es damit zusammen dass die Strümpfe nur so gestrickt werden können.

Da hätte ich früher mal meine Oma fragen sollen, die konnte noch Strümpfe stricken. Oder liegt es etwa daran das Strümpfe extra so gemacht werden, damit Frauen hinterher in Absatzschuhen keine Fältchen an den Fersen und Knöcheln haben?

Beim Stichwort Oma fällt mir ein, das diese und auch meine Mutter, ja selbst meine älteren Schwestern anfangs noch, Nylonstrümpfe getragen haben. Deren Wissen darüber müsste man mal irgendwie abfragen. Einiges findet sich ja in diversen Websites, etwa der Tipp mit dem versetzten anclipsen der Halter. Aber was die Frauen beim jahrelangen tragen von Strümpfen so erlebt haben wäre schon interessant zu erfahren. Inzwischen habe ich den ersten Strumpf schön straff bis weit nach oben gezogen und clipse die Halter fest. Auch das geht dank meiner tagelangen Übung inzwischen ganz einfach und selbstverständlich. Nun kommt gleich der zweite Strumpf an die Reihe und wenig später stehe ich, mit den seidigen hellbraunen Nylonhüllen an den Beinen, vorm Kleiderschrank. Das Tragegefühl dieser fest und glatt sitzenden Strümpfe ist einfach wunderschön. Und ich weiß, dass sich gleich, wenn ich meinen Rock anziehe, sich meine Beine knisternd und zirpend aneinander reiben werden. Aber vorher schlüpfe ich schnell in mein neues Miederhöschen. Doch irgendwie fühlt es sich komisch an, mit seinen langen Beinen. Die reichen tatsächlich noch ein Stück über die Randverstärkungen meiner wirklich nicht allzu langen Strümpfe hinweg. Neee, das finde ich blöd, damit fühle ich mich unwohl, das Ding muss wieder herunter.

So greife ich denn wieder einmal zu einem festen und formenden Miederslip. Zwar bleibt jetzt wieder einmal ein Stückchen Bein oben nackt, aber das ist mir lieber als dieses langbeinige Ungetüm. Auch dieses Miederhöschen erfüllt seinen Zweck und hält nun Penis und Hoden fest zwischen den Schenkeln, was zwar zuerst ein wenig unangenehm ist, aber sicher verhindert dass sich vorn am Rock irgendwann eine verräterische Beule abzeichnet.

Nach kurzem Suchen entscheide ich mich für den neuen braunen Rock mit dem modischen Ethnomuster aus Struer. Er sitzt dank des Korseletts und der Polster an Hüften und Po sofort richtig gut. Die braune Bluse dazu, trage ich darüber, das gefällt mir besser. Bevor ich jetzt ins Bad hinüber gehe schlüpfe ich in meine hochhackigen Hausschuhe.

Das Schminken dauert auch heute Morgen wieder seine Zeit. Doch die brauchen, wie ich inzwischen weiß, auch viele andere Frauen jeden Tag. Meine Kolleginnen haben sich einmal eine geschlagene halbe Stunde hinter ihrer Trennwand darüber ausgelassen, was sie in welcher Reihenfolge, so jeden Morgen auftragen, um einigermaßen gestylt zur Arbeit zu gehen. Ungeschminkt, also gewissermaßen praktisch nackt, so ihr Originalton, würden sie nicht einmal zum Bäcker laufen.

Da liege ich mit meiner guten halbe Stunde doch gar nicht einmal so schlecht, wenn man bedenkt das ich ja vorher noch spachteln, schleifen und grundieren muss. Jedenfalls lacht mir nach dieser Zeitspanne Carolines Gesicht aus dem Spiegel entgegen. Die Perücke hatte ich vorher bereits noch einmal ausgekämmt und setze sie nun vorsichtig auf.

Im Schlafzimmer folgt der obligatorische Schmuck, den ich nun einmal brauche. Ich suche meinen braunen Korallen und Muschelschmuck heraus. Kette, Armband und Ohrclips. Die passen vom Stil her gut zum Rock. Dann folgt die Suche nach passenden Schuhen.

Die braunen Pumps mit den kleinen, spitzen Absätzen bieten sich an. Aber auch meine braunen Sandaletten passen sowohl von der Farbe, als auch von Stil her sehr gut. Und zur Not kann ich auch noch meine schlichten schwarzen Pumps nehmen, denn diese Farbe kommt im Rock auch vor.

Nach einem Blick aus dem Fenster erledigt sich der Einsatz der Sandaletten. Es hat zu regnen begonnen und alles glänzt nass. Also doch Pumps, dann aber lieber die schwarzen, denn die braunen sind Queenie Pumps, haben nur winzige 3cm Absätze. Damit ist auch klar dass ich die schwarze Handtasche von gestern wieder nehmen kann. Prima, da erspare ich mir das Umpacken.

Und die Ersatzstrümpfe? Es sind noch ziemlich dunkelbraune in der Handtasche. Solche wie ich gestern auch an hatte, in Farbe Zobel. Die passen nicht richtig zu meinem heutigen Outfit. Aber ich finde im Schrank bei den Einzelstrümpfen schnell einige zart hellbraune und transparente und zwei davon landen mitsamt ihrer Tüte in der Handtasche.

Jetzt will ich aber erst noch schnell den Abwasch erledigen, dann kann ich los. Nachdem das geschafft ist, trete ich unter das lange Vordach der Terrasse und hänge das Geschirrtuch dort zum trocknen auf. Es ist gar nicht so kalt heute und auch nicht so windig wie sonst häufig. Aber der Himmel zeigt sich wie gestern in einem einheitlichen Grau.

Zehn vor zwölf zeigt die Uhr inzwischen, als ich mit meinen Verrichtungen fertig bin. So spät war ich lange nicht mehr mit allem durch. Ich nehme meine Jacke von der Garderobe, ziehe sie an und greife nach meiner Handtasche. Beim Rundgang durchs Haus schließe ich alle Fester und schlüpfe zum Schluss in meine schwarzen Pumps. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel und ich trete aus der Tür.

Mit wenigen, schnellen, dafür aber auf den Holzbohlen laut pochenden Schritten, bin ich hinter dem Haus und trete an mein Auto. Aufschließen, die Handtasche hinein legen und einsteigen, erfolgen in einem einzigen fließenden Ablauf. Kurz überlege ich, ob ich nicht zum fahren lieber die flachen Pumps anziehen soll, die vor dem Beifahrersitz liegen, entscheide mich aber dagegen. Schließlich bin ich auch gestern mit etwas höheren Pumps gefahren und vor ein paar Tagen, zurück aus Tyboron, sogar mit meinen grauen, sehr hohen Stilettos. Gut, da war ich wütend über die blöde spuckende Alte, hab gar nicht richtig nachgedacht was ich tue. Und trotzdem habe ich erst unterwegs überhaupt bemerkt dass ich noch die ganz hohen Stöckel an hatte. Aber fahren konnte ich damit auch!

Inzwischen habe ich das Feriendorf hinter mir gelassen und fahre nach Fjaltring hinüber. Von dort aus, gerade über die Kreuzung, und dann durch die Felder und Wiesen. Schneller als gedacht erreiche ich Bovlingbjerg und finde am jenseitigen Ortsausgang den Hinweis zur Hornfabrik.

Deren Parkplatz ist halb leer und überhaupt ist das ganze Anwesen viel kleiner, als ich es mir der Beschreibung nach vorgestellt habe. Ich greife mir meine Handtasche und steige aus. Nur wenige schnelle Schritte, über den knirschenden groben Kies, bringen mich zu dem hell erleuchteten Ausstellungsraum. Einige Erwachsene sowie drei Kinder sind hier drinnen und an den Wänden und auf den Tischen Hornprodukte aller Art.

Ich schaue erst einmal in aller Ruhe, merke aber dann irgendwie, dass mich ein kleines Mädchen sehr deutlich mustert. Sie scheint mir direkt auf die Beine zu starren. Allerdings bin ich auch mal wieder die einzige in Rock und Pumps. Die anderen Frauen tragen alle Jeans und Turnschuhe oder Sneakers. Ich tue so als ob ich nichts bemerkt habe und als an dem Tisch wo die Armreifen liegen endlich Platz ist, trete ich heran. Es sind schöne polierte Hornreifen in vielen verschiedenen Naturfarben und auch Durchmessern. Das ist wichtig für mich, denn leider habe ich doch typisch männlich große Hände. Jedenfalls größere als die meisten Frauen die ich kenne.

Trotzdem finde ich nach ein bisschen herumprobieren zwei Armreifen die gerade eben so über meine rechte Hand gehen. Einer ist fast schwarz mit einer hellen Linie, der andere mehr braun, bzw. beige. Und einen finde ich der ist fast regelmäßig gemustert. Drei oder sogar vier verschiedene Naturfarbtöne verlaufen wellenförmig ineinander. Diesen Reifen bekomme ich allerdings nur über meine linke Hand, dort wo ich auch meine Uhr trage. Trotzdem nehme ich alle drei. Den Ohrschmuck kann ich gleich liegen lassen, es sind alles Stecker und ich habe keine Ohrlöcher. Schade, aber vielleicht sollte ich doch darüber nachdenken mir welche stechen zu lassen.

Langsam schiebe ich mich weiter die Tische entlang, schaue dann durch das staubige Fenster einen Augenblick in die Werkstatt hinein. Dort sägt jemand, an einer für mein Gefühl museumsreifen Bandsäge, Löffel aus einem Hornstück heraus. Weiter hinten sitzen einige Leute im Dämmerlicht an großen Schleifmaschinen. Aber alles sieht schmutzig und staubig aus da drinnen.

Als ich meine Runde beendet habe, ist die Familie mit dem kleinen Mädchen schon wieder gegangen. Die beiden Jungen, die noch hier sind, interessieren sich überhaupt nicht für mich. Sie beginnen zu rangeln und ihr Vater schickt sie kurzerhand hinaus auf den Hof, bevor es noch ein Unglück gibt.

Dann bin ich plötzlich allein im Laden und nachdem ich nichts weiter finde was ich gebrauchen kann, bezahle ich meine Armreifen. Das Vergnügen ist nicht billig, aber es braucht bestimmt seine Zeit um aus dem unansehnlichen Horn eines afrikanischen oder asiatischen Rinds einen solchen hochglänzenden Reif zu zaubern.

Schon in Hinausgehen fallen mir die schön gearbeiteten Schuhlöffel auf. Die hatte ich vorher glatt übersehen. Ich suche mir einen recht langen aus, der es mir ermöglicht meine Pumps jetzt im stehen anzuziehen, ohne das ich mich jedes Mal tief hinunter bücken zu müssen. Er ist ganz toll glatt geschliffen und poliert, damit werde ich mir mit Sicherheit keinen Strumpf kaputt machen. Die junge Verkäuferin grinst, als ich vor der Kasse stehend, das Teil gleich einmal ausprobiere. Das Ding nehme ich dann auch noch.

Kaum aus der Tür reiße ich mir dennoch ein Loch in den Strumpf. Schuld ist diesmal jedoch der Busch neben meinem Auto. Mist! Absolut unnötig, aber passiert. Andererseits kann mich eine solche Lappalie inzwischen nicht mehr aus der Bahn werfen. Ich werde ganz einfach den Strumpf wechseln. Gleich hier im Auto, das muss, geübt wie ich mittlerweile bin, doch klappen.

Na jaaaa, so ganz einfach ist es denn doch nicht, hier im Auto den hinteren Halter zu lösen, aber ich schaffe es. Der Strumpf landet vor den Beifahrersitz, der kommt nachher in den Müll. Aus meiner Handtasche suche ich die Ersatzstrümpfe heraus und raffe einen davon zu einem Ring. Schnell ist er über den Fuß gezogen und auch schon übers Knie. Nun wird es jedoch ein wenig kompliziert. Ich muss mit dem Schenkel vom Sitz hoch um den Strumpf ganz hinauf ziehen zu können. Doch es klappt und auch die Halter lassen sich, der hintere allerdings mit einigen kleinen Verrenkungen, befestigen.

Umso größer ist mein Ärger als ich die Laufmasche bemerke, die sich breit und hell und deutlich fühlbar, an der Innenseite des Beins nach unten bewegt. Da habe ich wohl versehentlich einen kaputten Strumpf erwischt. Also noch einmal alles von vorn. Strumpf ausziehen, neuen Strumpf anziehen und das alles im engen Auto. Diesmal ist aber alles OK und ich rolle vom Parkplatz, fahre hinüber zur 11 und dann nordwärts. Ich werde gleich noch nach Lemvig fahren und einkaufen. Meine Vorräte gehen zur Neige und dort im Supermarkt bekomme ich alles was ich brauche. Die Fahrt verläuft völlig normal. Und heute kommt zur Abwechselung mal kein Polizist, der mich verfolgt. In Lemvig angekommen parke ich wieder auf dem großen Parkplatz in der Stadtmitte. Von hier aus habe ich kurze Wege zu allen möglichen Geschäften. Doch zuerst werde ich in den Supermarkt gehen und meine Einkäufe erledigen.

Ohne mir viel Gedanken zu machen das ich jetzt als Frau aussteige und ins Gedränge des Supermarktes losgehe, nehme ich meine Klappbox unter den Arm, hänge die Handtasche über die Schulter und gehe mit laut pochenden Absätzen hinüber zum Kvickly-Markt.

Noch vor einer Woche hatte ich riesige Bedenken, ja richtig Muffe, als Frau dort hinein zu gehen. Heute geht's mit ein bisschen Herzklopfen, aber ansonsten ohne Probleme. Ich nehme mir, deutlich entspannter als noch vor einer Woche, meinen Einkaufswagen und schiebe hinein. Voll ist es heute hier, aber das stört mich kaum. Ja, ich bin sogar so selbstsicher mich gleich, ganz vorn in der Wäscheabteilung, nach einem BH umzuschauen. Da sind Sonderangebote und ich ergattere einen in meiner Größe der mit hübscher Spitze verziert ist und umgerechnet gerade einmal ca. 8 € kostet. Dann grase ich die verschiedenen Gänge ab und lege Brot, Gemüse, Milchprodukte, Fleisch und Wurst in meinen Wagen. Zum Schluss noch ein paar Tüten mit Fruchtsäften und ein paar Kekse.

Die Schlangen an den Kassen sind recht lang, aber es geht schnell. Schon bin ich dran und packe meine Einkäufe aufs Laufband. Die Kassiererin ist freundlich und lächelt mich sogar an. Mag sein das sie etwas bemerkt hat, aber es ist mir gleichgültig.

Der junge Mann vor mir, hat inzwischen gerade seine Einkäufe wieder in den Einkaufswagen geladen. Ich mache das gleiche und schiebe anschließend zum Ausgang. Nach wenigen Metern sehe ich aus den Augenwinkeln dass der Typ mir gefolgt ist.

Draußen suche ich mir ein ruhiges Eckchen und beginne meine Siebensachen in die Klappbox umzupacken. Der junge Mann, er mag um die fünfundzwanzig sein, verstaut seine Einkäufe ein paar Meter weiter in zwei Fahrradpacktaschen und schaut dabei immer wieder zu mir hinüber.

Als ich alles in der Klappbox habe, schiebe ich meinen Einkaufswagen zurück zum Unterstand. Vorsichtig hebe ich die schwere Kiste hoch, bugsiere den Wagen mit dem Körper ganz hinein und nehme das Pfand heraus. Mit der vollen und recht unhandlichen Kiste vor dem Bauch trippele ich mit kleinen, vorsichtigen, schnellen Schritten hinüber zum Parkplatz.

Beim nächsten Mal werde ich besser den Einkaufswagen zum Auto schieben, denke ich. Die Schlepperei ist mir als Frau entschieden zu anstrengend. Etwas außer Atem setze ich das blaue Monsterteil von Klappbox hinter dem Auto ab. Kaum habe ich den Kofferraum geöffnet und die Kiste darin verstaut, sehe ich dass mir der junge Mann gefolgt ist. Er schiebt sein Rad auf dem Gehweg vorbei und guckt ungeniert zu mir herüber. Aber warum auch nicht? Hier ist ENSRETTET, Einbahnstrasse, da kann er so herum nicht fahren, da muss er schieben. Ich lasse den Kofferraumdeckel zuknallen und überlege einen kleinen Augenblick ob ich gleich zurück fahren soll. Andererseits kann ich genauso gut auch noch einmal durch die Fußgängerzone bummeln. Es ist kühl heute, die Sonne wird sich nicht viel zeigen und so wird es auch im Auto nicht heiß werden. Ich mach's, ich geh noch mal Schaufenster gucken.

Mit einigem Erstaunen bemerke ich einen Augenblick später den jungen Mann, den mit dem Fahrrad, hinter mir herkommen. Aber gut, ich will keine weißen Mäuse sehen, wer weiß wo der noch hin will? An der Ecke beim Haushaltswarengeschäft bleibe ich stehen, will sehen was er nun tut. Angestrengt starre ich in das Schaufenster und sehe ihn im Spiegelbild langsam vorbei schieben. Ich warte noch einen Augenblick, gehe nur wenige Schritte bis zum nächsten Fenster.

Aber ewig kann ich hier auch nicht stehen bleiben. Das sicherste ist zum Auto zurück zu gehen und abzuhauen. Andererseits hat er mir ja nichts getan und es ist sicher Zufall dass er hier entlang muss. Als ich weitergehe und um die Ecke komme, steht das Fahrrad beim Gemüsehändler. Also will er doch nur noch etwas einkaufen, ich beginne wohl doch schon unter Verfolgungswahn zu leiden.

Kaum bin ich halb hinunter zur Vestergade, als mich der Fahrradschieber überholt. Dabei mustert er mich betont unauffällig, schiebt aber weiter und setzt sich unten am Springbrunnen auf einen der Steine. Seine Augen haben meine Beine fest im Blick, das sehe ich genau. Aber ich werde nicht weglaufen!

Provozierend dicht, direkt am Springbrunnen entlang, und nur knapp zwei Meter von ihm entfernt, gehe ich jetzt an dem Mann vorbei. Ich wende mich nach rechts und bleibe bei dem Modeladen, an den Ständern mit Pullis und Pullovern stehen.

Er sitzt noch immer auf dem Stein, schaut aber unverkennbar zu mir hinüber. Ich schlendere weiter, gehe von Geschäft zu Geschäft und versuche, wenn ich irgendwo die Auslagen anschaue, aus den Augenwinkeln heraus zu sehen wo der Kerl bleibt. Aber er kommt mir durch die enge Fußgängerzone nicht nach, er steigt auf sein Rad und verschwindet.

Ich gehe langsam weiter, schaue hier, gucke dort. Es ist heute längst nicht so voll wie in der Saison, die in den nächsten Wochen mit den Herbstferien in Deutschland noch einmal richtig aufleben wird. Beim Juwelier sehe ich in einem der Fenster ganz tollen Schmuck. Hornschmuck, der von einer einheimischen Designerin stammt und,…… in der Hornfabrik in Bovlingbjerg hergestellt wird. Wieso habe ich den denn nicht im Laden gesehen?

Es scheint als ob die endlos lange dünne Streifen vom Horn schneiden. Die werden dann irgendwie weich gemacht und zu langen Ketten und Armreifen geflochten. Aber ganz locker und luftig sieht das aus.

Auf den Fotos dahinter sind diverse Geräte, Töpfe, Kocher und Öfen zu sehen. Darin scheint man das Horn geschmeidig zu machen und dann zu kunstvollen Kreationen zusammen zu fügen.

Da muss ich also noch einmal hin denke ich, vergesse das aber gleich wieder, als ich die winzig kleinen Preisschilder sehe. Deren Größe steht im umgekehrten Verhältnis zu den Summe darauf. Leider!

Ich gehe langsam weiter und bin nach kurzer Zeit schon an der Kirche angekommen. Mein Blick geht nach rechts hinüber, zur nächsten Ecke wo das Damernes Magazin ist. Jenes Geschäft das auch in der Touristenzeitung erwähnt wird. Die Schaufenster sind hübsch dekoriert, das habe ich ja an den anderen Tagen bereits gesehen. Und von dort kann ich notfalls dann auch schnell zurück zum Parkplatz gehen.

Und der Fahrradschieber ist auch wieder da. Er scheint auf mich gewartet zu haben, lehnt in Höhe des Lederwarengeschäfts gegenüber der Kirche an einer der Bänke. Was nun? Zurück durch die Vestergade und zum Auto, oder an ihm vorbei und oben herum direkt zum Parkplatz?

Ich beschließe es darauf ankommen zu lassen und wende mich dem Damernes Magazin zu. Was soll mir schon groß passieren? Hier sind überall Menschen. Betont gleichgültig gehe ich mit meinen laut pochenden Absätzen weiter. Vor dem Lederwarengeschäft verhalte ich kurz, schaue mir die Auslagen an. Im Spiegel der Schaufensterscheiben sehe ich undeutlich dass er mich von hinten wieder taxiert. Er will wahrscheinlich einfach nur noch einmal einen Blick auf die Dame im Rock werfen.

In diesem Moment tritt, wenige Meter entfernt, eine Frau im dunkelblauen Kostüm aus der Tür. Dort weist ein Schild auf das Advokatskontor hin. Hier residiert also ein Rechtsanwalts- oder Notariatsbüro. Sie trägt recht hohe Schuhe und der kniekurze Kostümrock ist sehr eng geschnitten. Unter dem Arm hält sie eine schmale Tasche geklemmt und in der Hand eine kleine Aktentasche. Die rechte Hand trägt schwer an einer dicken großen Tasche.

Sie sieht aus wie eine Anwältin auf dem Weg zum Gericht, schießt es mir durch den Kopf. Laut knallen ihre Absätze auf dem Gehweg, als sie sich Richtung Rathaus wendet. Mit sehr kleinen, aber festen, schnellen und sicheren Schritten, mehr lässt der enge Rock nicht zu, schreitet sie an mir vorbei, mustert mich dabei kurz und schaut hinauf zur Kirchenuhr. Dann ist sie vorbei und eilt auf klappernden Absätzen davon.

Der Radschieber ist offensichtlich völlig verwirrt. Immer noch das Fenster als Spiegel benutzend kann ich sehen dass er von ihr zu mir und wieder zurück schaut.

Ich wende mich jetzt dem Damernes Magazin zu und überquere die kleine Strasse. Mal sehen was der Radschieber dann macht. Gerade habe ich den Eingang erreicht und gucke was der Ständer mit den TILBUD, den Sonderangeboten, so hergibt, da sehe ich wie er aufsteht und schnurstracks der Dame im blauen Kostüm hinterher eilt.

Zuerst will ich meinem Impuls nachgeben und schnell zum Auto. Aber warum eigentlich? Genauso gut kann ich nun auch das Damenmodegeschäft besuchen, vor dessen Eingang ich stehe. Aber vorher schaue ich mir noch einmal die Fenster an. In beinahe schon klassischer Anordnung stehen hier dicht an dicht die Schaufensterpuppen. Bekleidet mit den schönsten Kleidern, Röcken, Blusen, Jacken, Hosen und Mänteln. Nachdem ich einmal kräftig durchgeatmet habe, entschließe ich mich das Geschäft heute auch von innen kennen zu lernen. Ich trete ein und bin überrascht wie klein es eigentlich ist. Ständer mit Hosen, Jacken und Blusen stehen dicht an dicht. Die rechte Wand wird von etlichen Umkleidekabinen eingenommen. Nachdem ich mich orientiert habe lese ich das Kleider und Röcke im Obergeschoss zu finden sind. Vorsichtig steige ich die enge, offene Wendeltreppe hinauf, die sich mitten im Laden befindet. Jetzt wäre die Gelegenheit für Spanner, mir unter den Rock zu schauen, fällt mir siedendheiß ein. Hier ist alles offen. Aber da weit und breit kein männliches Wesen zusehen ist, stört mich das nicht.

Oben angekommen sehe ich endlose Stangen mit Kleidern und Abendmode die praktisch die gesamten Wände einnehmen. In der Mitte mehrere Ständer mit Röcken und eine große Nische mit Jacken und Mänteln. Außer der Enge bemerke ich einige Verkäuferinnen zwischen den zahlreichen Kundinnen und einen wohl etwa fünf bis sechs Jahre alten Jungen, der ziemlich desinteressiert am Geländer der Treppe herumturnt.

Ein TILBUD Ständer lenkt meine Blicke auf sich. Sonderangebote sind immer gut denke ich und sofort fällt mir ein hellbeiges Kleid in die Hände. Es entpuppt sich jedoch als ein weißer Leinenstoff der aber mit hauchdünnen Goldfäden durchwirkt ist. Die Größe? Stimmt! Müsste eigentlich passen. Der Preis,…….? Umgerechnet nur etwa gut 25€, ich kann's kaum fassen, das probiere ich doch gleich mal an. Dazu würden sich meine goldenen Sandaletten mit dem Keilabsatz bestimmt gut machen überlege ich, während ich zu den Kabinen gehe. Zwei sind noch frei und schnell schlüpfe ich in die letzte der Reihe und schließe den Vorhang.

Flink ziehe ich die braune Bluse aus und schlüpfe aus dem Rock. Das Kleid ist schnell vom Bügel herunter, aber wo geht es auf? Vorne keine Knöpfe, hinten auch nicht. Auch ist kein Reißverschluss zu sehen. Schließlich entdecke ich ihn an der linken Seite. Von der Hüfte bis unter die Achselhöhle reicht er, das sollte zum Anziehen genügen. Also schnell das goldene Ding gerafft und über den Kopf gezogen. Es ist innen sogar komplett mit hellem Seidenstoff gefüttert, traumhaft.

Der lange, seitliche Reißverschluss erweist sich als störrisch. Vielleicht kommt daher der niedrige Preis? Aber mit ein bisschen gut zureden kriege ich ihn zu fassen und ganz hoch gezogen.

Vom Gefühl her sitzt das Kleid figurbetont, fast wie eine zweite Haut! Da ist, zumindest an der Oberweite und dank meiner Polster auch an Po und Hüften aber auch nichts über. Die Länge stimmt auch! Gerade eben Kniebedeckt, so wie ich es so gerne trage. Schnell schlüpfe ich in meine Pumps zurück, richte meine durchs überstreifen des Kleides verrutschte Frisur und trete vor die Kabine.

Niemand beachtet mich als ich vor den Spiegel trete. Das Kleid sitzt wunderbar! Es ist, wie ich erst jetzt sehe, ein bisschen asymmetrisch geschnitten. Vorne läuft ein handbreiter Stoffstreifen schräg unter meiner Brust hindurch und an der echten Seite ist eine Ziernaht die links fehlt. Trotzdem sitzt das Kleid richtig gut. Eine der Verkäuferinnen nickt mir zu und redet dann auf dänisch auf mich ein, während ich mich vor dem Spiegel drehe und wende. Ich verstehe nur soviel, als das mir das Kleid steht. Gut, das denke ich auch, ich nehme es!

Auf dem Rückweg zur Kabine sehe ich noch ein buntes Sommerkleid in meiner Größe auf dem Ständer und nehme es mit. Das sieht auch gut aus, das probiere ich auch noch an. Aber zuerst muss ich jetzt aus der goldenen Hülle wieder heraus. Ich mühe mich einige Zeit mit dem klemmenden Reißverschluss ab, bevor er endlich nachgibt und ich ihn ganz herunter ziehen kann. Dann kommt das Kleid zurück auf den Bügel. Danach muss ich erst einmal meine Perücke wieder richtig aufsetzen. Die ist eben beim Ausziehen des Kleides völlig verrutscht.

Das bunte Sommerkleid erweist sich als dünnes Fähnchen und ist auch nur partiell gefüttert. Trotzdem ziehe ich es einmal über, was ganz locker geht, denn es ist vorn durchgehend geknöpft und damit sehr einfach anzuziehen. Es sitzt eigentlich recht angenehm. Nichts kneift oder spannt, nur die Länge ist, wie ich finde, ein bisschen knapp. Aber nach den Erfahrungen mit meinem grauen Minikleid bin ich da wohl ein bisschen komisch geworden.

Dieses reicht im Stehen soweit, dass meine Knie eben frei bleiben; eine doch durchaus angemessene Länge für ein Sommerkleid. Allerdings ist das Unterteil nicht mal knapp zur Hälfte gefüttert.

Wenig später, vor dem großen Spiegel, zeigt sich deutlich, dass bereits etwa zwei Handbreit oberhalb des Saums der leicht transparente Teil des Kleides beginnt. Und auch die Ärmel sind nicht gefüttert, doch da stört es mich weniger. Soll ich dieses Kleid trotzdem nehmen? Was, wenn ich im Gegenlicht zur halbseidenen Frau werde? Wenn man, und hier meine ich wirklich -Mann- durch den Stoff hindurch die Randverstärkungen an meinen Strümpfen erahnen kann? Oder gar die hell leuchtenden Strapse? Denn irgendwie erkenne ich die dunkleren Streifen oben an meinen Beinen, auch hier im Laden bereits durch den Stoff hindurch.

Oder bilde ich mir das nur ein? Ich bin mir nicht sicher. Mit einem zusätzlichen Unterrock, oder einem verlängerten Futter müsste es gehen. Einen hautfarbenen Unterrock habe ich, damit müsste es klappen. Oder eine Schneiderin finden die das Futter verlängert. Aber was kostet so etwas? Lohnt sich das bei einem Preis von umgerechnet knapp 30€ für dieses Kleid überhaupt? Oder aber ich nehme solche Strümpfe wie ich gestern an hatte. Welche in Farbe Skin oder Teint, da sind selbst die Randverstärkungen kaum zu sehen. Andererseits könnte ich ja natürlich auch Strumpfhosen anziehen und die machen sich bei der Kürze des Saumes bestimmt auch wesentlich besser als Strümpfe.

Ich habe da mittlerweile Strumpfhosen von Hudson gefunden, hauchzart 14, oder La Fina, welche sich beide ganz toll tragen und die sich ähnlich wie meine geliebten glatten Nylons anfühlen. In meine Grübelei hinein schaue ich noch einmal kritisch auf mein Spiegelbild.

Das Kleid sitzt richtig gut, da gibt es nichts dran zu rütteln. Ich drehe mich schwungvoll um meine eigene Achse um zu sehen wie das Kleid fällt. Dabei weht das Unterteil hoch bis es fast wie ein Teller absteht. Solche Drehungen, schnelle Tanzschritte und Richtungswechsel habe ich vor kurzem Zuhause mal geübt, auch um auf meinen hohen Hacken sicherer zu werden. Mittlerweile kann ich das mindestens ebenso gut wie die Square-Dance Frauen bei uns im Sportverein. Trotzdem erschrecke ich mich ein bisschen, weil ich nicht gedacht habe das dass Kleid dabei soviel meiner Beine frei gibt.

Eine der Verkäuferinnen hat's mitbekommen, lächelt mich an und nickt in meine Richtung. Verlegen über meinen Temperamentsausbruch, und nicht wissend was sie alles gesehen hat, trippele ich zurück in die Kabine. Ich ziehe das Kleid wieder aus und hänge es auf den Bügel zurück. Schnell ziehe ich meine Bluse wieder an und greife nach meinem Rock. Doch was ist das?

Ich habe ja ganz verschiedene Strümpfe an! Die Zehen- und Randverstärkungen sind deutlich unterschiedlich. Am linken Bein ein heller Braunton, am rechten hingegen ein etwas dunkleres Braun. Und die Randverstärkung oben, ist auch viel breiter. Wie kommt denn so etwas?

Ich hatte doch heute Morgen ein Ersatzpaar aus dem Schrank genommen. Oder etwa nicht? Gut, es waren gebrauchte Strümpfe, aber doch ganz klar welche von derselben Machart und Farbe. Sekunden später dämmert es mir. Der eine davon hatte doch ebenfalls eine Laufmasche, der liegt zusammen mit dem zerrissenen Kunert Strumpf im Auto. Und den zweiten habe ich an, und der ist dunkler als der Kunertstrumpf und ……. viel schlimmer, er glänzt auffällig. Jetzt schwant mir auch warum der Kerl vorhin so unverschämt auf meine Beine gestarrt hat. Der hat das bemerkt!

Und wenn er nicht völlig blöde ist, hat er ganz klar gewusst dass diese Dame da vor ihm, die hier im Rock und auf Pumps herumläuft, auch noch richtige echte Nylons angehabt hat. Kein Wunder das ich den kaum losgeworden bin.

Was jetzt? Hier im Geschäft schnell eine Strumpfhose kaufen und anziehen, oder versuchen Strümpfe zu bekommen, oder einfach ohne Strümpfe, also nacktbeinig zum Auto gehen?

Das ist doch alles Blödsinn! Seit nunmehr über eineinhalb Stunden laufe ich mit zwei verschiedenen Strümpfen an den Beinen durch die Gegend. Niemand hat mich angemacht und nur ganz wenige werden es überhaupt bemerkt haben. Denn an den Beinen ist der Unterschied längst nicht so deutlich wie im Bereich der Verstärkungen.

Ich ziehe mich erst einmal wieder komplett an, hänge das bunte Kleid zurück an den Ständer mit den Sonderangeboten, nehme das goldene und gehe hinunter zur Kasse.

Nachdem ich die enge hölzerne Wendeltreppe geschafft habe ohne zu verunglücken, suche ich an einem der Ständer noch einen Augenblick nach einer Stola, oder einem Bolero Jäckchen, das ich über dem ärmellosen Kleid tragen möchte, sehe aber nichts dergleichen. Ohne Probleme zahle ich, erhalte mein Kleid und verlasse den Laden wieder. Doch eines weiß ich, hierher werde ich noch einmal wiederkommen, das ist ja fast ein Paradies.

Zum Parkplatz sind es nur wenige Minuten, aber ich halte mich im Schatten, denn dort ist der glänzende rechte Strumpf nicht gar so auffällig.

So etwas habe ich vor Jahresfrist bei einer Frau im Supermarkt auch schon einmal gesehen, erinnere ich mich. Die hatte auch zwei verschiedene Farbtöne an ihren Beinen. Damals überlegte ich auch den ganzen Abend lang ob die eventuell Strümpfe angehabt hat. Zumal bei ihren Slingpumps ganz deutlich zu sehen war das nur der eine Strumpf eine Fersenverstärkung aufwies. Oder hatte die von Strumpfhosen das jeweils kaputte Bein abgeschnitten? Man sah es auch nur wenn man genauer hingesehen hat, aber genau das tue ich ja immer.

Ich war seinerzeit zu der Überzeugung gekommen das die Dame, mit ihrem recht konservativen Kleidungsstil, wohl Nylonstrümpfe unterm Rock an hatte. Eine für mich durchaus erregende Vorstellung, dass auch noch andere so etwas tragen. Heute ist genau das mir passiert, aber geschadet hat es mir nicht.

Das Auto hat sich inzwischen doch unangenehm aufgeheizt, die Wolken weise Lücken auf. Ich warte bei geöffneten Türen einige Minuten ab, bevor ich mich hinein schwinge und losfahre. Zurück in Trans ist es recht ruhig im Dorf. Ich parke mein Auto so hinter dem Haus das es bis zum späten Nachmittag im Schatten steht. Vielleicht werde ich ja noch einmal losfahren und dann ist es nicht so heiß darinnen.

Nachdem ich die Einkäufe verstaut habe, setze ich mich mit ein paar Keksen, einem Cappuccino und einem Buch in die Spätsommersonne. Ich lese ungestört, abgesehen von einigen wenigen Leuten die zwischen den Häusern hindurch zum Meer gehen. Doch niemand nimmt groß Notiz von mir und das ist mir sehr Recht. Die beiden verschiedenen Strümpfe habe ich anbehalten! Zum einen ist der Unterschied nun wirklich nicht so gravierend, zum anderen wird es hier auch kaum einer bemerken.

Als es kühler wird weil die Sonne schon tiefer steht und zwischendurch immer mehr von Wolken verdeckt wird, gehe ich hinein. Ich schaue mir eine Dokumentation über das verschwundene Bernsteinzimmer an. Hinterher esse ich Abendbrot und dann widme ich mich endlich meinem Laptop und dem ausführlichen Bericht über die unterschiedliche Sprechweise von Männern und Frauen.

Einiges davon spreche ich gleich einmal laut nach, aber ohne Kontrolle durch eine andere Person bringt das nichts. Ich werde das morgen Vormittag noch einmal mit meinem alten Kassettenrecorder ausprobieren. Für heute reicht es, ich gehe schlafen.

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