Caroline - Teil 10

Am Freitag stehe ich wieder einmal früh auf. Ich habe sehr gut geschlafen und entsprechend gutgelaunt bin ich auch. Und einen Bärenhunger habe ich! Noch bevor ich in die Dusche steige, werfe ich die Kaffeemaschine an und nasche ein paar Kekse, die vom gestrigen Nachmittag übrig geblieben sind.

Das warme Wasser auf die Haut rieseln zu spüren ist angenehm und ich genieße es geradezu am Morgen so ausgiebig zu duschen. Zuhause regiert da schon immer die Uhr. Ich kann mich leider selten dazu aufraffen gleich aufzustehen, wenn die Musik angeht. Hinterher ärgere ich mich dann, weil ich so wenig Zeit habe und alles in Hektik abläuft. Das würde ja niemals klappen, wenn ich meine verwegenen Gedanken in die Tat umsetzten wollte, und als Frau gekleidet zur Arbeit zu gehen. Selbst bei ausnutzen der gesamt möglichen Gleitzeit nicht.

Hier ist der Begriff Zeit ein anderer, hier kann ich mir die Zeit nehmen, sie nach meinen Wünschen einteilen und mein Programm selber ausdenken und gestalten.

Apropos Programm, was soll ich heute machen, was kann ich unternehmen? Ich beschließe erst einmal in Ruhe zu frühstücken und den Wetterbericht anzusehen, dann werde ich mich entscheiden.

Wieder einmal ziehe ich nur meinen Morgenmantel über und frühstücke in aller Ruhe. Allerdings muss ich vorher ordentlich den Ofen anheizen, es ist nämlich sehr kühl im Haus. Offensichtlich war es heute Nacht so klar wie es draußen jetzt auch ist. Da wird es natürlich nun, jetzt Mitte September, bereits recht kalt. Und die Elektroheizung hatte ich gestern, als die Sonne noch so kraftvoll schien, einfach ausgeschaltet. Am Abend hatte der Ofen wohlige Wärme verstrahlt, aber der geht nachts aus! Selber Schuld, nun muss ich eben kräftig einheizen.

Nachdem der Tisch abgeräumt ist, verziehe ich mich zum schminken ins Bad. Das geht inzwischen wirklich richtig flott von der Hand. Nur etwa fünfundzwanzig Minuten brauche ich heute, das ist rekordverdächtig. Solange brauchen meine Kolleginnen nach eigener Darstellung ja auch mindestens jeden Morgen.

Auch das ankleiden geht zwischenzeitlich relativ schnell. Vorausgesetzt ich weiß schon was ich anziehen will. Um das alltagstauglich hinzubekommen, müsste ich auf jeden Fall bereits am Vorabend, jeweils alles Nötige heraussuchen und bereitlegen.

Heute allerdings stehe ich wieder einmal vor meinem vollen Kleiderschrank und sinniere. Schließlich entscheide ich mich noch einmal für den Jeansrock. Darüber kommt ein roter Pulli und wenn ich nachher noch irgendwohin will, dann ziehe ich mich eben nötigenfalls um!

Für unten drunter kommt eigentlich wieder nur ein Korselett in Frage. Ich zwänge mich hinein und schiebe dann mühsam die Po- und Hüftpolster drunter. Prima! Jetzt den festen Miederslip drüber, der Penis und Hoden sicher an den Körper presst und es kann mir nichts mehr passieren.

Nach der Pleite mit den verschiedenen Strümpfen vom Vortag nehme ich heute welche in Perle. Davon habe ich reichlich. Bereits schon einmal getragen, aber gewaschen, liegen sie in meiner Strumpftasche im Schrank. Aber auch von den nagelneuen und originalverpackten habe ich mittlerweile einen größeren Vorrat Zuhause. Doch auch die anderen Farben der WOOLWORTH Strümpfe liegen in meinen Schränken immer auf Halde.

Den überlebenden teuren Strumpf von gestern, habe ich kurzerhand in eine neue KUNERT Packung mit dazu getan. Da habe ich jetzt gleich drei Strümpfe zur Verfügung. Der andere Überlebende liegt im Schrank bei den Einzelstrümpfen. Da muss ich bei Gelegenheit mal suchen ob sich da noch Paare von bilden lassen. Ansonsten sollte ich mal sehen ob ich nicht diese Einzelstrümpfe auch jeweils einem nagelneuen Paar zuordnen kann. Sicherer ist es genauer darauf achten was für eine Farbe meine Strümpfe haben oder stets ein komplettes Paar Ersatzstrümpfe mitzunehmen.

Den ersten Strumpf ziehe ich auch heute wieder an, ohne groß hinzusehen und clipse ihn fest. Auch beim zweiten achte ich kaum noch darauf was ich tue, so selbstverständlich ist das anziehen meiner Nylons inzwischen für mich geworden.

Den Strumpf mit schnellem Fingerspiel raffen, mit den Zehen in den braunen seidenweichen Ring stoßen und kurz kontrollieren ob die Verstärkung richtig sitzt. Dann ganz über den Fuß ziehen und die Fersenverstärkung richten. Anschließend das glatte transparente Gewebe unter ständigem sanften Zug ganz das Bein hinaufstreifen und ohne lange nachzudenken an den Haltern fest clipsen.

Das Ende letzten Jahres noch so ungewohnte und erregende Gefühl richtige, echte, lange Damenstrümpfen an Stelle von Strumpfhosen zu tragen, ist inzwischen einem irgendwie normalen Tun gewichen. Natürlich mag ich das noch immer ungeheuer gern und im Spiegel schaue ich auch genau, wie die Strümpfe sitzen. Aber es ist nicht mehr so unheimlich wichtig, oder viel anders als etwa Strumpfhosen.

Ich lebe diesen Urlaub bisher die ganze Zeit über als Frau. Da kleide ich mich auch als Frau. Dazu gehört neben Kleidern, Blusen und Röcken auch Wäsche. Und da natürlich feine seidige Wäsche und eben auch Strümpfe oder Strumpfhosen. Genauso wie die hohen Schuhe und die Perücke, wie Makeup im Gesicht und meine rot lackierten Nägel.

Als ich schließlich fertig angezogen bin, schlüpfe ich in meine hochhackigen Hausschuhe. Schnell pudere ich mein Gesicht noch einmal ab, lege etwas Schmuck an und setze die Perücke wieder auf.

Mein Blick fällt auf das Fach mit den zahlreichen Einzelstrümpfen. Eigentlich könnte ich die ja auch gleich einmal sortieren. Gedacht, getan! Es sind schon wieder etliche zusammen gekommen und ich lege die Strümpfe zunächst einmal nach Farben sortiert auf mein Bett.

Dann trenne ich nach Kreppstrümpfen und den seidigen hauchdünnen Nylons. Und siehe da, bei den Kreppstrümpfen findet sich tatsächlich ein zusammenhängendes Paar in hellem braun. Die restlichen zwei sind einzelne, aber in der Farbe sehr ähnlich. Bei den hauchdünnen glatten Strümpfen sind es ein paar mehr, und hier finden sich vier Paare. Nach kurzem Suchen lässt sich jedoch auch jeder der restlichen drei Einzelgänger einem Paar zuordnen das in der dazu gehörigen Zellophantüte in meiner Strumpftasche wartet. Gut so, da habe ich jetzt immer gleich drei davon und somit einen passenden Ersatzstrumpf dabei.

Da ich in den letzten Tagen praktisch permanent Strümpfe getragen habe, gehen mir jetzt so langsam die Mieder aus. Nur noch mein hellbeiges Torselett mit der vielen Spitze, den festen Stäbchen und den langen dünnen Strumpfhaltern liegt im Schrank. Daneben der dazu gehörige Taillenslip. Ebenfalls mit ganz viel Spitze versehen. Leider hat dieses Torselett nur ganz schmale Träger, welche sich im Zusammenhang mit meinen recht großen und schweren Siliconbrüsten nicht als optimal herausgestellt haben. Ich habe mir schon Polster mitbestellt die, unter die Träger gefädelt, dieses Manko ein wenig mildern. Aber so schön dieses edle Wäscheteil im Spiegel auch aussieht, der Tragecomfort ist nicht so hoch.

Also muss ich heute noch waschen! Ich suche alle meine Korseletts, BH’s, Miederhöschen und Hüfthalter aus dem Koffer mit Schmutzwäsche zusammen und verfrachte sie, gemeinsam mit einem Waschsack voller Nylonstrümpfe, in die kleine Waschmaschine.

Niemals hätte ich zu träumen gewagt, das mein Vorrat an Miedern für den Urlaub nicht reicht. Es schien mir im Vorwege meiner Urlaubsplanung als ziemlich abwegig jeden Tag als Frau verbringen zu können.

Sicherheitshalber habe ich aber fast alles eingepackt und muss jetzt doch trotzdem einmal waschen. Schon komisch wie leicht man seine Meinung ändert. Oder sich Pläne in Luft auflösen und sich die Lebensumstände ändern.

Allerhöchstens das ich mich am Nachmittag oder Abend einmal als Frau anziehen könnte, schien mir vor wenigen Wochen noch denkbar. Und jetzt ist der halbe Urlaub herum und ich muss waschen. Meine Wäsche waschen, weil ich bisher jede Minute als Frau gekleidet verbracht habe und mir so langsam einiges an Wäsche ausgeht.

Inzwischen ist es fast 11:30 Uhr geworden und ich bin immer noch unschlüssig was ich heute unternehmen will. Das Wetter ist weiterhin klar und sonnig, soll aber leider dem Wetterbericht nach morgen wohl wieder schlechter werden. Also noch einmal an den Strand? Und heute Nachmittag irgendwohin?

Ja, ich werde heute einmal den Strand entlang Richtung Süden gehen. Vielleicht bis nach Fjaltring hinunter und dann durch die Dünen wieder zurück. Oder soll ich die schwarzen Pumps mitnehmen, die ich schon auf dem Rückweg vom Leuchtturm her getragen habe? Und auf dem heutigen Rückweg darauf dann durch den Ort und die Strasse entlang trippeln?

Egal, den Rock und den Pulli kann ich dazu anbehalten. Ein kurzer Gang hinaus auf die Terrasse zeigt mir dass es immer noch recht kühl ist. Außerdem kommt der Wind aus Südosten, klasse dann bleibt die Brille sauber.

Schnell ist der kleine Rucksack gepackt und ich ziehe mir meine wollenen Kniestrümpfe über. Diesmal denke ich daran, denn Frau ist schlau! Noch einmal lasse ich mir nicht die Beine wund scheuern.

Dann die Jacke übergezogen, den Rucksack geschultert und hinaus vors Haus. Dort steige ich mühsam in meine roten Gummistiefel. Mit den dicken Strümpfen ist das Schwerstarbeit, aber dann sitzen sie perfekt und ich stapfe los. Trotz der derben Stiefel denke ich daran meine Knie geschlossen zu halten. Zwar ließe der relativ kurze Rock auch größere Schritte zu, aber die muss ich vermeiden. Schließlich bin ich keine Bäuerin auf dem Weg zum Stall, sondern eine Dame am Strand.

Keiner beachtet mich als ich über die Wiese schlendere und nach kurzer Zeit am Strand angelangt bin. Die Sonne blendet ganz schön kräftig, aber eine Damensonnenbrille mit Dioptrienausgleich habe ich noch nicht. Einen kurzen Moment überlege ich noch, doch eventuell lieber nach Norden zu laufen, aber da war ich ja vor ein paar Tagen bereits.

Entschlossen wende ich mich nach links und finde einen Augenblick später eine im Sonnenlicht wunderschön grün glänzende rund geschliffene Glasscherbe. Die erste Buhne stellt diesmal auch kein Hindernis dar, denn hier hat sich reichlich Sand abgelagert, da kann ich einfach rüber den Betonwall hinweg stiefeln.

Aber hinter der Buhne kommen mir Leute entgegen. Fünf Erwachsene und mindestens sieben oder gar acht kleine Kinder. Wie werden die auf mich reagieren?

Nun sie reagieren überhaupt nicht. Rennen, springen und toben lachend an mir vorbei. Auch die Erwachsenen grüßen nur kurz und schon bin ich wieder allein. Allein hier unter dem weiten Himmel Dänemarks und allein mit meinen Gedanken. Und die schweifen gleich wieder einmal ab. Schweifen wieder weit weg, zurück nach Hause, zurück in den Alltag und der Frage ob und wie ich Caroline darin integrieren kann.

Ist es wirklich möglich auch Zuhause, in meiner Freizeit, so wie hier als Frau zu leben? Als Mann zur Arbeit zu gehen und abends und am Wochenende als Frau unterwegs zu sein?

Kriege ich diesen Spagat hin?

Um meine Stimme zu trainieren verfalle ich in ein Selbstgespräch. Leise und gemäß der Anleitung die ich mir nochmals angehört habe lege ich los.

„Nur noch im Büro, lange Hose, Jackett und Krawatte und Zuhause gleich mit Perücke, Petticoat und Pumps? Unten drunter allerdings immer mit seidiger Wäsche und Nylons.

Also nach Feierabend schnell umziehen! Weg mit dem steifen Hemd, der Krawatte, der langen Hose und den langweiligen Halbschuhen.

Hinein in Rock und Bluse oder ein luftiges Kleid und in hübsche hochhackige Schuhe geschlüpft. Das werde ich wohl einfach mal ausprobieren müssen. Dann sehe ich ja ob’s klappt und vor allem ob ich das durchhalte.

Andererseits, warum denn nicht? Viele transsexuelle Menschen in unserem Land müssen schließlich auch den Alltagstest durchlaufen. Sind nicht mehr Mann und noch nicht Frau. Und die müssen sogar am Arbeitsplatz dann als Frau auflaufen. Das stelle ich mir ganz schön schwierig vor. Das brauche ich nicht, ich muss ja nur in meiner Freizeit als Frau, als Caroline unterwegs sein. Und müssen muss ich auch nicht, ich will es! Zumindest will ich es versuchen. Und wie die Nachbarn reagieren werden, wird sich schon zeigen.“

Es ist mir nicht schwer gefallen diese vielen Worte anders zu sprechen als ich es sonst als Mann tue. Aber ob das weiblich klang weiß ich nicht.

An der nächsten Buhne lagern einige Jugendliche. Auch sie beachten mich kaum. Hier ist es schon schwieriger über das Hindernis hinweg zu kommen. Der massive Betonwall ist mit riesigen Steinen gespickt. Ich wende mich ein paar Meter landeinwärts und kann hier ohne Probleme, über den festen Sand hinweg, die Buhne umgehen.

Von weitem schon sehe ich nun den kleinen Bach, der hier am Strand aus einem Betonrohr kommend, in weiten Schleifen mäandernd, dem Meer zustrebt. Das Wasser fließt hinter der hier nur dürftigen Dünenkette weit aus dem Hinterland kommend, als kleiner Bach dahin. Es muss sich dann für bestimmt 100 Meter durch das enge Betonrohr zwängen, bis es hier am Strand das letzte kurze Stück seines Weges bis zum Meer zurücklegt. In dem tief ausgespülten ersten Stück tummeln sich etliche Fische, die sich sofort in den Schutz des Rohres zurückziehen als ich näher trete. Gleich danach fließt das bräunliche Wasser schnell und breit über den weit ausgespülten flachen Lauf. Ich mache einige Fotos von dem im Sonnenlicht glitzernden Wasser und gehe dann langsam weiter.

An der nächsten Buhne ist allerdings Schluss! Oben ist der Durchgang, an der mit riesigen Betonklötzen befestigten Steilküste, nicht erlaubt, unten lecken die Wellen immer wieder bis an dieses Bollwerk heran. Da reichen meine Gummistiefel wohl nicht aus.

Ein Ausweg zeigt sich, als ich die letzte Düne erklommen habe. Oben, hinter dem Steilufer, gibt’s einen Weg durch die Wiesen. Hier kann ich locker weitergehen bis nach Fjaltring. Das mache ich auch, denn dann kann ich gleich noch einmal zum Köpmand hin.

Nach wenigen Metern halte ich allerdings an und zerre mir, mich auf einen alten Zaunpfahl stützend, die jetzt nicht mehr nötigen Gummistiefel von den Füßen. Die dicken Wollstrümpfe folgen sogleich. Sie haben erfolgreich verhindert dass sich an meinen Beinen wieder rote Stellen bilden. Erleichtert schlüpfe ich in meine Pumps die ich im Rucksack mitgenommen habe. Die roten Gummistiefel muss ich allerdings in eine Plastiktüte hüllen, bevor ich sie im Rucksack verstauen kann, so schmutzig und sandig wie sie sind.

Auf meinen halbhohen und nicht ganz so dünnen Absätzen komme ich auf dem festen Pfad recht gut voran. Ich wende mich der Kirche zu, die auch hier, genau wie in Trans, ein Stück vom eigentlichen Ort entfernt liegt. Nach ein paar Minuten habe ich sie erreicht und gehe in Richtung Ortsmitte weiter. Kurz darauf sehe ich den Köpmand schon, vor dessen Laden jetzt etliche Autos parken. Einige davon tragen deutsche Kennzeichen. Es scheint ganz schön was los zu sein dort, aber ohne die Feriengäste kann sich der Laden hier bestimmt auch nicht halten.

Obwohl mich eine leichte Unruhe beschleicht, trete ich ein und greife nach einem der Körbe. Ich brauche eigentlich nicht viel, nur etwas für das Abendessen, und vielleicht ein Stückchen Kuchen für den Nachmittag. Ohne mich weiter um die anderen Kunden zu kümmern suche ich mir meine Sachen zusammen und trete dann an den Tresen. Lone bedient gerade eine deutsche Urlauber Familie mit drei quengelnden Kindern. Ich suche mir deshalb, um die Zeit zu überbrücken, noch schnell eine deutsche Frauenzeitung heraus. Lones Kollegin lächelt mich zwischendurch, wie mir scheint aufmunternd an. Die ältere dänische Frau vor ihr kann sicht offensichtlich nicht so recht entscheiden, welche Sorte Käse sie nehmen soll.

Ob die sich mit Lone über mich unterhalten hat, überlege ich? Aber warum auch nicht? Schließlich sind solche Damen wie ich, hier nicht allzu oft zu sehen.

Dann bin ich dran und flink suche ich die Scheine und Münzen zusammen. Zu Anfang hatte ich noch echte Schwierigkeiten mit dem für mich ungewohnten Damenportemonnaie. Jetzt klappt das viel besser. Außerdem habe ich mich so langsam an die Dänischen Münzen und Scheine gewöhnt.

Es ist eben alles Übungssache! Genau wie der Rest. Wie das gehen auf hohen Schuhen etwa und das anziehen von Damenstrümpfen, speziell das festclipsen der Halter. Genauso wie das schminken, das schließen eines BHs auf dem Rücken und tausend andere Dinge auch, die ich in den vergangenen zwei Wochen wie ich finde recht gut gelernt habe. Oder die sogar ziemlich selbstverständlich für mich geworden sind.

Mit Erstaunen stelle ich fest das es nämlich für mich wirklich beinahe selbstverständlich geworden ist, gleich morgens ohne lange zu überlegen ein Korselett anzuziehen. Und lange Strümpfe dazu, sowie Rock und Bluse.

Wie mag das damals meiner ältesten Schwester gegangen sein? Die durfte, wenn ich das noch zusammenbekomme, mit 15, zum Ostergottesdienst, erstmals lange Strümpfe tragen.

Anschließend Wochentags wieder nur ihre weißen Kniestrümpfe. Ja, nur sonntags zum Kirchgang durften sie, und später auch die anderen Schwestern, ihre Perlons anziehen.

Aber als sie, gerade ein Jahr später, mit 16 in die Lehre kam, da, das weiß ich genau, da trug sie eigentlich stets Kleider und Röcke und ihre Perlons dazu.

Und sie, und später auch meine anderen Schwestern, hatte etliche Kämpfe auszufechten, bis Mama es irgendwann endlich aufgab gegen ihre -gefährlichen und krank machenden hochhackigen Schuhe- anzugehen.

Genauso erinnere ich mich daran, dass in unserem winzigen Bad über der Wanne eigentlich stets etliche Paare von gewaschenen Damenstrümpfen auf dieser sechsarmigen, komischen Wäschespinne, zum trocknen hingen. Aber mit zum Schluss fünf –Frauen- im Haus musste das wohl so sein.

Und es gab auch mal ziemliches Gezänk unter meinen Schwestern, weil irgendjemand die fremden Strümpfe gemopst hatte. Zu der Zeit waren die auch noch recht teuer und alle passten höllisch auf, sich keine Laufmaschen zu holen.

Umso schlimmer, wenn dann die abends sorgfältig gewaschenen Strümpfe am Morgen fort waren. Von der kleinen Schwester genommen, die früher aufstehen musste, weil sie so einen langen Weg zur Ausbildungsstelle, bei Hertie hatte. Dabei hatte die doch als einzige die Möglichkeit, dort im Hause auch noch mit Personalrabatt preiswerter einkaufen zu können.

Die Mädels müssen es aber trotzdem irgendwann als selbstverständlich angesehen haben Perlons und Pumps anzuziehen. Mich würde mal interessieren wie sie das gefühlt haben. Wie schnell es völlig normal und alltäglich für sie wurde. Oder ob es lange etwas Besonderes blieb.

Aber sie deshalb einfach mal so zu fragen, traue ich mich denn doch nicht. Das würde mit Sicherheit blöde Gegenfragen heraufbeschwören.

Das ich in diesem Urlaub überhaupt noch nicht einmal auf die Idee gekommen bin etwas anderes anzuziehen als Carolines Sachen, erstaunt mich im nachhinein schon ein bisschen. Jeden Morgen sofort Damenwäsche, Damenstrümpfe, Damenschuhe, meine Damenbrille, Röcke, Blusen und Kleider. Und keinen Tag hatte ich das Gefühl etwas Falsches oder Unnatürliches zu tun.

Stefans Sachen hängen seit dem Anreisetag im Schrank und dort werden sie wohl auch bleiben, denn ich fühle mich wohl in meiner Rolle als Frau. Nur noch ganz wenige kurze Sekunden, wie vorhin am Strand mit den Kindern, lassen mich stutzig werden, ob ich da etwas Unnatürliches tue. Aber diese kurzen Augenblicke vergehen sofort wieder und dann bin ich ganz einfach Frau.

Nach einigen kurzen persönlichen Worten mit Lone, während der ich meine Einkäufe im Rucksack verstaue, drängt die nächste Kundin heran und ich verabschiede mich schnell. Auch ihre Kollegin nickt mir zu und erwidert mein Farevel.

Draußen vor dem Laden überlege ich einen Augenblick welchen Rückweg ich nehmen soll. Wieder an der Küste entlang, durch die Dünen, oder doch lieber auf der Strasse? Am Strand, oder in den Dünen müsste ich wieder in die Gummistiefel steigen, durch den Ort hindurch und die Strasse entlang kann ich die bequemen schwarzen Pumps anbehalten.

Ich entscheide mich für die Strasse und gehe los. Zuerst noch an etlichen älteren Backstein Häusern entlang trippelnd, kommt langsam die Nummer 60, mein Traumhaus in Sicht. Ein erst wenige Jahre altes Holzhaus im hier typischen Bungalowstil in T-Form.

Großzügig geplant und gebaut. Blassgelb gestrichen, mit weiß abgesetzten Fenstern und Giebelbrettern. Toll gepflegt, mit einem netten Garten dabei und zahlreichen Pflanztöpfen auf dem Stück zwischen Haus und Strasse. Kein Zaun, kein Bordstein, nichts. Der Asphalt der Strasse geht übergangslos in den mit grobem Kies bedeckten Vorplatz über. Dann die Töpfe mit den Pflanzen und schließlich das Haus.

Hier könnte ich es gut aushalten überlege ich. Bestimmt mehr als 120 Quadratmeter Wohnfläche, mag das Haus haben. Dazu eine schöne Terrasse, ein netter Wintergarten und an der Nordseite, parallel zum Querflügel, eine Garage.

Ein kleiner, magerer, zotteliger Hund reißt mich aus meinen Träumen. Er schießt vom Nachbargarten her heran und umkreist mich bellend. Eine alte, gebeugt in ihrem Garten arbeitende Frau ruft ihn zurück und entschuldigt sich anschließend wortreich bei mir. Viel kann ich nicht verstehen, aber ich bedanke mich mit meinen wenigen Dänischkenntnissen und versuche ihr zu erklären dass mich der kleine Hund nicht stört.

Der ist inzwischen zurückgekehrt und schnüffelt an meinen Schuhen. Als er zu der Überzeugung gelangt ist, dass ich keine Gefahr darstelle, trollt er sich wieder. Ich gehe auch weiter und passiere die große Schweinemastanlage in Ortsmitte. Gut das der Wind nicht von Westen kommt, so ist der Gestank auszuhalten. Aber jetzt weiß ich wenigstens was ich vorhin am Strand gerochen habe, das waren die Schweine.

Kurz darauf erreiche ich schließlich das Ortsende von Fjaltring. Der Bauernhof hier hat auch schon bessere Tage gesehen. Einige Fenster sind zerbrochen, das Dach der Scheune weist Löcher auf. Die Traktoren, Maschinen und Wagen stehen kreuz und quer, ungeschützt und angerostet, auf dem durchweichten und von zahllosen Fahrspuren durchzogenen Hof herum. Ein trostloses Bild, aber auch hier inzwischen, leider, nicht mehr allzu selten. Die Landflucht hat im dünn besiedelten Nordwest-Jütland längst Einzug gehalten.

Doch von hier aus kann ich auch weit über das Land blicken. Ich sehe das Trafohäuschen und die Kirche von Trans und weiter nördlich den Leuchtturm. Weit verteilt liegen die Gehöfte, eingestreut in das grüne, oder erdfarbene Land, mit den Wiesen und Feldern und den typischen Knicks und Buschstreifen dazwischen. Darüber spannt sich perfekt und wie eine weißblaue Halbkugel der Himmel. Wie aus dem Prospekt eines Fremdenverkehrsamtes denke ich noch. Dieser Himmel würde allen Urlaubsregionen Ehre machen.

Schätzungsweise ein guter Kilometer Asphalt liegt noch vor mir, bis ich wieder im Feriendorf bin. Ich gehe also los. Auf knapp halber Strecke überquert die Strasse den Wasserlauf dessen Mündung ich am Strand fotografiert habe. Kaum einen Meter breit ist er und in der Niederung zwischen dem üppig wuchernden Schilfpflanzen gar nicht richtig auszumachen. Die schwarzbunten Kühe nutzen ihn als Tränke, stehen aber ansonsten ziemlich träge da. Ich jedoch will weiter, denn bis zur Abzweigung zum Feriendorf ist es noch ein Stück zu gehen.

Das rechts liegende kleine Gehöft ist hinter seinem dichten Windschutzwäldchen kaum auszumachen. Nicht einmal kniehoch ist der Beginn des kleinen Schutzwaldes direkt an der Strasse. Aber beginnend mit dürftigen Heckenrosen, wächst er sich bis zum Haus hin, mit Laub- und Nadelbäumen auf immerhin Firsthöhe hinauf. Aber krumm und gebeugt, und vom fast ewig wehenden Westwind geformt, sind sie alle. Kein einziger Baum ist symmetrisch gewachsen, fast alle Zweige stecken sich nach Osten hin, von den Stämmen weg.

Kurz darauf bin ich an der Abzweigung zum Feriendorf. Hier kommt mir der einige Male am Tag verkehrende Linienbus entgegen. Einen Moment befürchte ich schon er würde wegen mir anhalten, denn nur ein paar Meter weiter befindet sich die nächste Haltestelle. Als ich den Kopf schüttele und abwinke, gibt der Fahrer wieder Gas und lässt mich in einer stinkenden Abgaswolke stehen.

Ein wenig bergauf geht es zum Feriendorf nun wieder, aber auf meinen bequemen Pumps ist das kaum zu spüren. Überhaupt gehe ich inzwischen auf diesen etwa 5 cm hohen Absätzen fast völlig normal. Ich bemerke sie nicht einmal mehr. Das allerdings erfordert es, mir stets bewusst zu sein, meine Knie geschlossen zu halten.

Und wie habe ich mich seinerzeit schwer getan! Die ersten Male auf hohen Schuhen. Was bin ich herumgewackelt auf den Absätzen meiner ersten Pumps. Keine drei Jahre ist das her und was habe ich inzwischen für Fortschritte gemacht. Aber über zweieinhalb Jahre abends und an den Wochenenden üben, bringen irgendwann auch etwas. Mädchen lernen das ganz selbstverständlich so nach und nach, wenn sie Mutters Schuhe ausprobieren, oder wenn sie irgendwann Schuhe mit Absätzen bekommen.

Meine Schwestern haben sich seinerzeit gegenseitig geholfen. Haben sich schon einmal Schuhe ausgeliehen, um zum tanzen zu gehen, oder welche von der großen Schwester geerbt, um seligen Gesichts darauf zur Schule zu stöckeln.

Ich jedoch hatte einen riesigen Nachholbedarf, nicht nur in Sachen hochhackige Schuhe, sondern zum ganzen Thema Frauwerdung. Aber mit jedem Mal abends umziehen, mit jedem schminken, mit jedem kritischen Blick auf die Videosequenzen, mit mir in Frauenkleidern, wurde es besser.

So habe ich es hoffentlich vermieden in meiner zweiten Pubertät allzu viele Fehler zu machen. Klar, auch ich habe, wie so viele junge Mädchen, anfangs viel zuviel Makeup aufgeklatscht. Zuviel Farbe genommen, als das es hinterher weiblich aussah. Aber ich war schließlich schon erwachsen und gereift. Und ich war sehr selbstkritisch. Nach wenigen Monaten hatte ich den Bogen heraus und mein Gesicht wirkte nicht mehr wie ein in den Malkasten gefallener Indianer.

Genauso stellte ich nach einer meiner ersten abendlichen Exkursionen im Faschingskostüm fest, das sich Pumps mit dünnen 10 cm Absätzen, jedenfalls für mich, nicht für längere Spaziergänge eignen.

Mittlerweile denke ich darüber etwas anders! Wenn die High-Heels richtig passen und die Übung da ist, kann ich es darauf durchaus zwei bis drei Stunden gut aushalten. Das hat sich schließlich auch gezeigt als ich vor ein paar Tagen das graue Kleid gekauft hatte. Im Laden war auf den grauen Stilettos alles paletti. Auf dem Weg zum Parkplatz hatte ich ein wenig zu kämpfen, aber es klappte doch recht gut. Die Fugen der Platten und Fliesen zwingen frau regelrecht dazu sich zu konzentrieren.

In Tyboron lief’s dann schon richtig gut. Auf dem festen glatten Zementboden das Aquariums konnte ich ganz locker und entspannt hin- und hergehen. Weder meine Zehen, noch meine Fußballen meldeten irgendwie Druck oder Enge. Auch auf der Straße und dem Parkplatz konnte ich problemlos und ladylike auf meinen grauen hohen Pumps ausschreiten. Sogar der Rückweg nach der Attacke durch die dicke Alte verlief ohne weitere Ereignisse, wenn man einmal davon absieht, dass ich mit meinen Absätzen im Gras vor dem Haus ziemlich viele, tiefe Löcher hinterließ

Die zwölf Tage hier in Dänemark, stets als Frau gekleidet, hübsch geschminkt und flott zurecht gemacht, haben sehr viel gebracht. Ich fühle mich inzwischen sicher und auch viel entspannter als noch vor knapp zwei Wochen, wenn ich so wie heute hinausgehe.

Übung ist eben (fast) alles und alles kann man lernen. Das war auch einer dieser Sätze, den meine Oma immer gerne einmal präsentierte. Was würde sie sagen wenn sich mich hier jetzt so sehen könnte?

Ihr einziger Enkel, neben sechs Enkeltöchtern. Ihr kleiner Vorzeigeenkel! Und ausgerechnet der läuft jetzt seit fast zwei Wochen als Frau umher. Benutzt Make up und trägt Perücke. Zieht jeden Tag Frauenkleider an, altmodische Mieder und Nylonstrümpfe und spaziert darin durch die Gegend. Stöckelt auf hochhackigen Schuhen durch Fußgängerpassagen, Läden und Geschäfte. Läuft in Schuhen die eigentlich gar nicht für ihn gemacht sind und die er dennoch gerne trägt und in denen er kaum noch den Unterschied zu seinen sonstigen Schuhen spürt.

Genauso wenig bemerke ich meine Nylons unter dem Rock. Klar, ich weiß und merke stets dass ich einen Rock trage. Schließlich fühle ich beständig seinen Saum an meinen Beinen und bei jedem Schritt das rutschen des Stoffes an meinen Schenkeln. Und ich spüre auch stets das seidige Gleiten meiner Strümpfe an den Beinen. Fühle den kühlen Wind daran entlang streichen. Aber genauso gut könnte ich jetzt auch eine Strumpfhose tragen, der Unterschied ist gering. Nur kurze Zeit nach dem Anziehen ist es nicht mehr wichtig. Sehr wichtig für mich ist es jedoch möglichst echt zu wirken. So sehr wie eine Frau auszusehen und mich zu geben und zu bewegen, das möglichst nicht gleich jeder hinter mein Geheimnis kommt.

Und das alles habe ich gelernt. Gelernt durch learning by doing wie es so treffend heißt. Gelernt und geübt weil ich es einfach wollte und dann auch getan habe.

Ganze Wochenenden habe ich seinerzeit in Frauenzeitschriften gestöbert und zahllose Tipps und Artikel über schminken und typgerechte Kleidung praktisch auswendig gelernt. Nächtelang habe ich im Internet die entsprechenden Foren durchstöbert und mich schlau gemacht.

Dann habe ich versucht das gelesene umzusetzen, mich schlichter gekleidet und dezenter geschminkt. Und ich habe mich hier in Dänemark, dann auch so angezogen und bin nach draußen gegangen. Und darüber das ich dass gewagt habe bin ich sehr, sehr froh.

Niemals hätte ich diese Natürlichkeit und Sicherheit nur mit abendlichen Ausflügen in der Dämmerung erreicht. Zumindest nicht in dieser kurzen Zeitspanne. Das hätte ja Jahre gedauert! Allein schon deshalb, weil ich wahrscheinlich jedes Mal wieder fast bei Null angefangen hätte.

Die beiden Pferde die auf der Koppel stehen, schauen kurz zu mir hinüber, grasen dann aber einfach weiter. Ihnen fällt es offensichtlich gar nicht auf was ich bin. Aber auch die vielen Menschen denen ich bisher begegnet bin reagieren immer weniger auf mich, oder meine Erscheinung. Dafür gibt es eigentlich nur wenige Erklärungen.

Die erste ist die, dass es den Leuten scheinbar völlig gleichgültig ist wer oder was ich bin. Sie sind tolerant. Die zweite Möglichkeit ist die, das ich inzwischen doch fast wie eine Frau wirke.

Ganz offensichtlich hat mein, jetzt schon zwölf Tage währendes, Nonstoptraining doch etwas gebracht. Ich bemerke ja selbst dass ich mich viel selbstverständlicher in meiner Rolle als Frau bewege. All die kleinen Bewegungen und Gesten die Frauen so ganz einfach und intuitiv machen, die musste und muss ich ja erst erlernen. Und ich musste lernen wie sich Frauen bewegen, wie sie gehen, stehen und sitzen. Es war ein richtiges Stück Arbeit mir die Unterschiede bewusst zu machen und noch viel schwieriger war es das umzusetzen. Zumal es bisher ja immer nur für einen Tag oder Abend war, oder maximal ein Wochenende. Da konnte doch eigentlich gar kein Selbstverständnis aufkommen.

Jetzt, hier im Urlaub ist das anders. Seit dem ersten Nachmittag bin ich konsequent in meiner weiblichen Rolle geblieben. Das formt und prägt sicherlich. Außerdem scheint meine Körpersprache eine andere geworden zu sein. Ich merke selbst wie sicher ich inzwischen in meiner neuen Rolle als Frau bin und das färbt bestimmt auf meine Erscheinung ab.

Ich bin selbstbewusster geworden!
Ich gehe als Frau gekleidet durch Menschenansammlungen und in die Läden. Und damit wirke ich wohl auch viel weiblicher als noch vor einer Woche. Meine Empfindungen sind irgendwie anders geworden, ich spiele keine Frau mehr, ich bin irgendwie eine.

Diese Erkenntnis trifft mich fast wie ein Schlag! Genau das ist es! Ich bin kein verkleideter Mann mehr. Ich spiele keine Rolle. Ich spiele keine Frau, ich bin so etwas wie eine Frau. Zwar nicht in biologischer Hinsicht, aber in sozialer.

Seit über eineinhalb Wochen bereits, lebe ich in der sozialen Rolle einer Frau. Nicht nur das ich meinen Haushalt versorge, Essen koche, putze und dergleichen, nein das kann auch jeder Mann. Ich aber kleide mich ja auch beständig betont feminin und verbringe meine gesamte Zeit und selbst die Nächte so. Und in meiner selbst gewählten Frauenrolle die ich begeistert auslebe, gehe ich einkaufen, shoppen und spazieren. Ich werde als Frau wahrgenommen und angesprochen.

Ich habe gegenüber anderen Männern inzwischen unschätzbare Vorteile. Ich weiß wie es ist, wie es sich anfühlt, als Frau zu leben! Auch wenn es nur ein Urlaubsleben ist. Aber dieses Leben als Frau gefällt mir. Gefällt mir sogar immer besser.

Es ist schön einen bis auf wenige Stellen haarlosen Körper zu haben. Eine glatte und gepflegte Haut. Ich mag es sehr mein Gesicht mit einem guten Make up zu verschönern. Finde es toll gepflegte und lackierte Nägel zu besitzen und schönen Schmuck zu tragen. Nur die Perücke stört ab und zu etwas, aber meine eigenen Haare zu einer femininen Frisur zu überreden würde bestimmt noch Monate dauern.

Außerdem, was denken die Kollegen wenn ich plötzlich meine Haare wachsen lasse. Das passt irgendwie gar nicht zu meiner sonstigen Erscheinung. Aber wenn ich wollte, könnte ich mir ja auch eine gute Echthaarperücke zulegen. Wenn’s für täglich, für jeden Abend und die Wochenende wäre, dann würde sich das bestimmt lohnen.

Aber auch so wie jetzt, als Frau unterwegs, fühle ich mich großartig. Und ich habe fast typisch weiblich zu nennende Hobbys. Ich mache Papierarbeiten und ich sticke. Außerdem schreibe ich Kurzgeschichten. Kleine, maximal zweiseitige Geschichten, zu d iversen verschiedenen Themen. Dabei fällt mir ein das damals, als ich damit begann und einen Verlag suchte, das mir ein Redakteur sagte die Storys würden sich fast alle so lesen als ob meine Frau die geschrieben hätte.

Hi hii, von wegen meine Frau. Eine Frau! Die Frau die wohl bereits tief in mir schlummerte. Und die ist nun wach, hellwach. Seit fast zwei Wochen schon ist sie jederzeit präsent. Und im Moment geht sie aufrecht und selbstbewusst vom Kopf bis zur Sohle, von der Perücke bis zu den Pumps, den Weg entlang zu ihrem Haus.

Für das Mittagessen ist es schon ein bisschen spät geworden. So mache ich mir einen Cappuccino, nehme das Kuchenstück und setze mich mit beidem auf die Terrasse. Das fällt mir überhaupt nicht mehr schwer. Kein Gedanke daran, was die Nachbarn denken könnten, wie etwa an den ersten Tagen.

Als ich den Kuchen aufgegessen habe und die Cappuccinotasse auch leer ist, fällt mir siedend heiß ein das ich ja noch eine Maschine mit Wäsche laufen habe. Wobei, laufen tut da nichts mehr, die ist schon seit Stunden fertig.

Also wieder hoch, den Wäscheständer auseinander geklappt und meine Miederwaren und Strümpfe schnell aufgehängt. Die Strümpfe haben sich, trotz Wäschesack, wieder einmal zu einem fast unentwirrbaren Knäuel verbunden. Sie vorsichtig auseinander zu ziehen dauert einige Zeit. Aber Zuhause mit meinen Strumpfhosen ist das noch schlimmer. Sie auseinander zu dröseln dauert jedes Mal. Sie sind ja im Gegensatz zu den Strümpfen auch zweibeinig und haben das Höschenteil dazwischen.

Endlich hängt alles zu meiner Zufriedenheit auf dem Ständer. Und weil es draußen immer noch schön ist und ein leichter Wind geht, stelle ich das sperrige Ding auf die Terrasse. In der Nische neben dem Schornstein ist genügend Platz. Hier trocknet es viel besser als im Wohnzimmer. Und sollten die Nachbarn blöde gucken, egal!

Ein Buch habe ich auch mit heraus genommen. Der Titel? 365 TIPPS, DER GUTE STIL, DAMEN. Ein Nachschlagewerk zu Kleiderwahl, Kleiderqual und ähnlichem. Darin blättere ich jetzt herum und lese einige der Tipps.

Etliches weiß ich schon, wende es unbewusst sogar längst an. Einiges ist neu für mich, aber sicherlich auch für eine große Zahl junger Damen aus unserer Zeit. Nr. 148 allerdings nicht, wo erklärt wird das sich Laufmaschen nicht immer vermeiden lassen. -Nehmen sie bei wichtigen Terminen eine Ersatzstrumpfhose mit-, ist da zu lesen. Oder Tipp 153, der die „den Zahl“ von Strümpfen erläutert. Da bin ich Fachmann, oder muss es Fachfrau heißen? Da macht mir so schnell keiner etwas vor.

Andere Tipps, zur Garderobe etwa und zum kombinieren, die hätte ich gleich zu Anfang meiner Crossdresser Laufbahn gebrauchen können. Da wären mir teure Fehlkäufe erspart geblieben. Aber auch so habe ich inzwischen eine durchaus flotte, feminine Basisgarderobe für mich zusammengestellt.

Im kombinieren bin ich auch sehr sicher geworden. Weiß welche Bluse, oder welchen Pulli ich zu welchem Rock anziehen sollte. Was für ein Tuch, wie getragen, meine Proportionen vertuscht, korrigiert oder hervorhebt. Hunderte von Fotos haben mir aufgezeigt was ich gut tragen kann und was ich lieber nicht anziehen sollte.

Genauso meine diversen Schuhe! Nach meinen ersten Pumps, zum üben, und um überhaupt erst einmal ein Paar Damenschuhe zu haben, kamen schnell richtig hohe Schuhe dran. Die sahen und sehen Klasse aus, aber darauf zu stehen war damals nicht einfach.

Gehen, und das richtig damenhaft, gelang mir darauf nur für wenige Schritte, und das auch nur bei voller Konzentration. Mittlerweile kann ich auch das ganz gut, wenn ich an die grauen Pumps zum Minikleid in Tyboron denke. Und ich werde an einem der nächsten Tage auch noch einmal ein Outfit zusammenstellen, zu dem ich meine neuen hohen, dunkelblauen Stilettos von Greta anziehen kann. Oder die weißen, aber auf keinen Fall die feuerroten.

Als sich drinnen mein Handy meldet hole ich es nach draußen. Auf der Terrasse kommt die Verbindung auch gleich zustande. Es ist meine Mutter die wissen will ob es mir gut geht. Sie macht sich Sorgen weil ich bereits 2 Tage lang nicht angerufen habe. Ich kann ihr, hoffentlich glaubhaft genug, versichern, das es mir so gut geht, wie seit vielen, vielen Monaten nicht mehr und sie wünscht mir weiterhin einen recht schönen und erholsamen Urlaub.

Weiter mit Teil 11