Caroline - Teil 8

Der nächste Tag dämmert mal wieder trüb herauf. Wie gut, dass ich bisher die schönen Tage so intensiv genutzt habe. Heute wird es sicher wieder einmal ein Ruhetag werden. Bei dem Mistwetter will ich gar nicht rausgehen.

Trotzdem dusche ich ausgiebig und rasiere mich anschließend sorgfältig. Dann stelle ich schnell die Kaffeemaschine an und klappere auf meinen Pantoffeln mit den halbhohen Pfennigabsätzen zurück ins Schlafzimmer. Fürs Frühstück ziehe ich mich noch nicht weiter an. Der kuschelige Morgenmantel reicht auch, denn dank der Heizung ist es im Wohnzimmer nicht so kalt. Aber ich setze meine Perücke auf und öffne anschließend im Schlafzimmer die Vorhänge und die Fenster, um mal wieder richtig zu lüften. Die Nachbarn sollen ruhig sehen, dass ich nichts zu verbergen habe und bereits auf bin.

Als im Ofen ein kleines Feuer brennt und der Tisch gedeckt ist setze ich mich an den Frühstückstisch. Im CD-Spieler liegt eine der Silberscheiben mit klassischer Musik, als ich in aller Ruhe den Tag beginne.

Acht Musikstücke, drei Scheiben Toast und zwei Tassen Kaffee später beschließe ich, heute noch einmal einen Arbeitstag einzulegen. Doch vorher werde ich erst einmal in aller Ruhe zu Caroline werden, denn nur so mit Morgenmantel und Perücke ist das nichts Halbes und nichts Ganzes.

Meine Gesichtshaut hat sich zwischenzeitlich beruhigt und ich kann mit dem Schminken anfangen. Heute klappt es prima! Kein Pickel ziert mein Gesicht, kein Mascara geht daneben und nirgends ist eine verräterische Borste stehen geblieben.

Ich versuche wieder möglichst wenig Farbe zu verwenden, möchte ein schlichtes Tages-Make-up hinkriegen. Also nur sparsam Lidschatten, nur einmal Wimperntusche, einen Hauch Kajal, ganz zartes, dahin gehauchtes Rouge. Der Lippenstift ist heute ein blasses lila rotbraun, fast so wie meine natürliche Lippenfarbe, nur ein bisschen dunkler. Im Kunstlicht des Spiegels sieht mein Gesicht zwar ein wenig blässlich aus, aber als ich im Schlafzimmer an den Spiegel trete, der vom trüben Tagslicht erhellt wird, sieht es für mein Gefühl doch recht natürlich aus.

Jetzt noch schnell zwei drei Tröpfchen Parfüm und ich sehe und spüre, als die Perücke richtig sitzt, Caroline auftauchen.

Vor dem Kleiderschrank habe ich wieder einmal die Qual der Wahl. Vor drei Jahren habe ich lauthals gelacht als meine Ex vor „drei Metern Nichts anzuziehen“ stand. Heute habe ich – hat Caroline – fast mehr Klamotten als Stefan. Bei ihm dominierten schon damals grau, blau und braun. Gedeckte Farben, Hosen, steife Oberhemden und einige Pullover. Im Schrankteil meiner Ex alle möglichen Farben. Und das bei Blusen, Tops, Pullis, Shirts, Hosen und einigen wenigen Kleidern und Röcken.

Stefan hatte – oder besser hat – vier Paar Schuhe, plus der zwei Paar für den Sport. Meine Frau füllte zwei Schuhschränke und hatte doch eigentlich nie die richtigen. Und mit Erstaunen stelle ich fest, dass es Caroline heute fast ebenso geht.

Drüben im kleinen Zimmer hängen Stefans paar Klamotten, die da im Übrigen den ganzen Urlaub noch nicht heraus gekommen sind. Hier über die doppelte Breite, zwei große Schiebetüren mit Carolines Kleidern, Blusen, Shirts, Pullis und Röcken, sowie Wäsche und Miederwaren. Dazu stehen allein 11 Paar Schuhe in den Borten und keines doppelt. Alle Paare haben ihren Sinn in der weiblichen Garderobe. Und trotzdem stehe ich jetzt hier und weiß noch nicht so genau was ich eigentlich anziehen soll.

Ich setze mich auf die Bettkante, starre in den Kleiderschrank und beginne zu grübeln. Was tue ich hier eigentlich? Was mache ich hier bloß für einen Blödsinn? Bereits über eine Woche kleide ich mich jetzt praktisch Tag und Nacht wie eine Frau. Ist das noch normal? Und was ist eigentlich normal?

Ist es normal, dass ich mich gern im Spiegel betrachte, wenn ich komplett als Frau gekleidet und geschminkt bin? Das ist doch eigentlich nicht normal für einen Mann! Oder doch?

Oder bin ich dann doch irgendwie eine Frau, wenn ich mich vollkommen angezogen und gestylt habe? Frauen schauen ja, so heißt es jedenfalls, sehr häufig in den Spiegel. Und Caroline ist da keine Ausnahme.

Und schließlich fühle ich mich dann, komplett als Frau gekleidet und gestylt, auch richtig gut! Nichts scheint falsch, verkehrt oder gar schlecht zu sein. Ich trage unheimlich gerne diese Kleidung, sehe mich dann auch als Frau, fühle mich dann auch irgendwie so. Falls ein Mann sich überhaupt in irgendeiner Weise wie eine Frau fühlen kann. Aber was ist denn der Unterschied zwischen Mann- und Fraugefühl? Kann ich mit meinem doch männlich konditionierten Gehirn denn überhaupt so fühlen? Oder habe ich am Ende schon immer ein weibliches Gehirn gehabt? Fachleute behaupten ja, dass wir alle auch immer teilweise wie das andere Geschlecht denken, empfinden und fühlen. Und keiner kann sagen, wie viel Prozent das sind. Sicher gibt es Menschen die 5 zu 95 Prozent haben. Aber ganz sicher gibt es auch welche die 25 zu 75, oder 50 zu 50 sind.

Ich empfinde mich, seitdem ich hier im Urlaub bin, eher wie 80 zu 20, oder noch mehr weiblich. Zwar kommen immer wieder einmal ganz kurz männliche Verhaltensweisen und Gedanken hoch, aber sie werden stets sofort überdeckt von Carolines Gedanken und Gefühlen.

Und wenn ich dann vor dem Spiegel stehe, was ich als Caroline sehr viel häufiger tue als Stefan, dann fühle ich mich auch überhaupt nicht komisch, tuntig oder verkleidet. Nur brauche ich dann, wenn ich all diese femininen Sachen angezogen habe, auch mein geschminktes Gesicht, die langen Haare, die lackierten Nägel, den Schmuck und alles andere an mir. Das alles bin auch ich, aber eben in einer anderen Form als sonst.

Jedes Mal aufs Neue finde ich es toll, mit Farben, Formen und Stilen, mit Schleifen, Rüschen und Accessoires experimentieren zu können. Ich finde es reizvoll, mit den Rocklängen und Absatzhöhen zu spielen. Denn es ist schon recht erstaunlich, welchen Unterschied es im Gesamteindruck macht, ob Frau mal mehr oder weniger Bein zeigt. Ob die Absätze hoch und dünn sind, zum Stöckeln, oder doch ein wenig niedriger und breiter, eben komfortabler, bequemer.

Fast unbeschreiblich schön ist es jedes Mal wieder, als erstes meine seidige Wäsche anzuziehen. Ich habe diese glatten, weichen Sachen unheimlich gern auf der Haut. Ein seidenes Unterhemd zu spüren, zusammen mit einem Seidenslip ist einfach ein gutes Gefühl. Darunter den angenehm festen Halt, den mein BH ausübt, oder den formenden Druck meines Miederhöschens, über Seidenslip und Strumpfhose. Das alles fühle ich einfach irre gerne.

Noch viel angenehmer, und hier in Dänemark ja praktisch täglich getragen, empfinde ich mittlerweile meine Mieder. Ob Korselett, Torselett, oder klassischer Hüfthalter. Sie verbinden in angenehmer und reizvoller Weise das weibliche Darunter mit der Formung meiner leider nicht richtig weiblichen Statur. Denn sie modellieren beträchtlich und bieten darüber hinaus auch noch die Möglichkeit meine geliebten Damenstrümpfe perfekt und sicher zu befestigen.

Und das Kribbeln, das mich wie ein wohliger Schauer durchzieht, wenn ich meine seidigen, transparenten Nylons über die Beine streife, ist jedes Mal wieder überwältigend.

Ich fühle mich großartig und auch groß, im Sinne von Größe, wenn ich meine hochhackigen Schuhe trage. Und all diese angenehmen, tollen Gefühle habe ich nun schon seit fast eineinhalb Wochen praktisch nonstop.

Bisher hatte ich dieses Glücksgefühl, Caroline sein zu können, bis auf zwei, drei Ausflüge bei Nacht und zum Fasching, eigentlich nur in meiner Wohnung. Und dann leider auch nur mal am Wochenende oder für ein paar Stunden nach Feierabend. Jetzt genieße ich es schon ununterbrochen zehn Tage lang. Ich habe es gewagt, sogar hinaus zu gehen und nichts ist passiert.

Ich war als Frau gekleidet einkaufen, bummeln und shoppen. Hab in den letzten Tagen Läden, Galerien und Boutiquen besucht und bis auf ganz wenige Ausnahmen hat niemand daran Anstoß genommen.

Was wäre, wenn ich das auch Zuhause tun würde? Was, wenn ich mich, in zwei Wochen, nach meinem Urlaub, oder nach einem erfüllten Wochenende in Frauenkleidung, einfach nicht mehr zurück verwandeln würde?

Wenn ich eines Montags in der Firma plötzlich als Caroline erschiene? Gäbe es da die Kündigung? Oder könnten die gar nichts machen weil ich meine Arbeit ja ohne weiteres auch als Frau gekleidet erledigen kann? Wie würden meine Kollegen reagieren? Na klar, die Machos hätten mich sofort auf dem Kieker, aber die vielen Frauen in der Abteilung, die würden vielleicht Verständnis haben. Jedenfalls einige……. hoffentlich.

Und unsere Abteilungsdirektorin? Die legt vor allem Wert auf exakte und korrekte Arbeit. Dabei stehe ich, wie ich seit der letzten Beurteilung weiß, ziemlich weit oben. Von meiner Leistung her würden die mich wohl nicht so schnell rausschmeißen. Aber eine Transe im Großraumbüro? Jemand, der am Freitagmittag als Mann ins Wochenende verschwindet und am Montagmorgen als Frau, geschminkt und mit ’ner Perücke auf, mit Puffärmeln, Petticoat und Pumps wieder dort erscheint.

Auf einer Homepage hab ich gelesen dass eine Transsexuelle mit den Vorgesetzten und dem Chef keine Probleme hatte, aber die Kollegen und Kolleginnen haben sie ganz schlimm gemobbt. Die Frauen wollten sie unter anderem nicht auf die Damentoilette lassen, die Männer nicht auf die für Herren. Eigentlich Kinderkram, aber es gibt solche Menschen. In den Pausen saß sie allein am Tisch und musste sich blöde Sprüche und Anfeindungen anhören.

Die Lösung war schließlich simpel. Die Abteilungsleiter und selbst der Chef setzten sich demonstrativ an ihren Tisch, und sie durfte die Toilette neben dem Büro des Chefs benutzen. Drei, vier Abmahnungen an die schlimmsten Mobber und schon war die Luft raus aus diesen primitiven Kolleginnen und Kollegen. Als Krönung die fristlose Kündigung einer Sekretärin, wegen eines tätlichen Angriffs, und das auch noch unter Zeugen, und alles spielte sich ein.

Das könnte mir bei uns auch passieren. Andererseits hat unsere neue Abteilungsdirektorin ziemlich klare Vorstellungen vom Dresscode im Unternehmen. Sie hat vor einigen Monaten bei einer Abteilungsversammlung ganz klar gesagt, welche Kleidung sie im Büro erwartet und auch welche Umgangsformen. Da sind einige Kollegen ganz schlecht bei weg gekommen. Aber auch einige der Kolleginnen wurden gebeten, zukünftig ein wenig gepflegter gekleidet zu Arbeit zu erscheinen. Vor allem jene, welche direkten Kundenkontakt haben. Und die gewünschte und von ihr vorgelebte Kleiderordnung erfülle ich, oder besser erfüllt Caroline, mit Leichtigkeit.

Wie würde sie das aufrechnen? Sehr gute Leistung und perfektes weibliches Outfit gegen den Makel, eine Transe in der Abteilung zu haben. Ich kann’s nicht sagen und es ist im Moment auch völlig unwichtig.

Und wie würden meine Eltern reagieren, wie meine Schwestern? Gut, Papa brauche ich da in meine Überlegungen gar nicht erst mit einzubeziehen. Für den bin ich nach den Mädchen der lang ersehnte Stammhalter gewesen. Auch wenn es bei meiner Statur immer nur zu einem Stämmchen gereicht hat. Wenn ich jetzt auch noch zur Tochter mutiere, bräche für ihn eine Welt zusammen.

Bei Mama jedoch bin ich mir nicht ganz sicher. Sie hätte dann zwar eine fünfte Tochter, aber dafür eine, die etwa ihren Körperbau hat, also die auch wie eine Frau aussieht. Denn einmal ganz nüchtern betrachtet; meine vier älteren Schwestern sind alle viel größer und kräftiger gebaut als ich. Außerdem kleiden die sich nur im Notfall, sprich zu wichtigen Anlässen auch wie Frauen. Und dann sehen sie für mein Gefühl häufig auch „verkleidet“ aus. Ansonsten wirken sie mit ihrem groben Körperbau, ihren kurzen Haaren und in ihrer Alltagskleidung alle vier mehr wie Kerle. Doch wie sie auf eine kleine Schwester reagieren würden, kann ich nicht mal ansatzweise erahnen.

Und die Nachbarn? Die geht es doch gar nichts an, wer da über, oder neben ihnen wohnt. Solange ich die Miete pünktlich zahle, kann mir doch eigentlich gar nichts passieren. Ich weiß es alles nicht und eigentlich will ich das doch Zuhause auch gar nicht publik machen. Oder doch?

Mir ist kalt geworden bei der Grübelei auf der Bettkante, ich muss mich anziehen! Aber welches Outfit?

Der Boucle’ Rock in den Rottönen fällt mir in die Hände. Und dazu eine weiße Bluse, oder doch lieber die lachsfarbene? Die passt gut zum Rock, stelle ich fest, als ich die beiden Teile übereinander halte, die nehme ich heute. Aber welche Schuhe dazu? Die neuen roten Pumps mit den dünnen hohen Absätzen? Nein,….die sind viel zu grell, es muss schon etwas besser zum Rock passen. Die altrosafarbenen Wildlederpumps würden gehen, ein Faden in deren Farbe findet sich im Rock. Aber ich glaube ich ziehe einfach die schwarzen Pumps mit der Zierschleife dazu an, das sieht chic aus.

Doch erst mal die Wäsche. Auch heute wieder Mieder! Das Korselett mit den Stäbchen formt schön, zaubert ein wenig meinen Bauch weg und gibt meinen Silikonbrüsten Halt. Meine Beine möchte ich wieder mit einem Paar glatter Nylons verwöhnen.

Aber etwas kräftiger braun gefärbt dürfen sie heute sein. Das Gefühl beim Anziehen der Strümpfe ist wieder einmal einfach wunderschön. Und als ich sie dann fest geclipst habe, fühle ich mich wieder richtig feminin. Ein fester Miederslip, mit angeschnittenen Beinen, ist zwar ziemlich altmodisch, hält meine unweiblichen Teile dafür jetzt fest zwischen den Schenkeln und schon fühle ich mich gut. Keine verräterische Beule wird gleich meinen engen Rock vorn zieren. Und damit ich auch die entsprechenden weiblichen Rundungen darunter habe, entschließe ich mich dazu, meine Polster zu nehmen. Zwar ist es ein bisschen mühsam diese festen Schaumstoffdinger jetzt unter dem Miederhöschen und dem Korselett zu positionieren, aber damit sitzt der Rock dann auch viel besser. Die beiden runden Po-Polster gehen schnell, sie sorgen für weiblich pralle Backen. Die länglichen Hüftpolster dauern dafür etwas länger. Das breite Stück gehört nach oben, füllt meine nicht so richtig weiblichen Hüften, an der Taille ganz dünn beginnend, gut auf. Diese Polster reichen ein Stück weit den Oberschenkel hinunter. Fast soweit, wie auch der Miederslip reicht. Sie gaukeln feminine Hüften und Oberschenkel vor. Zusammen mit der Bauchweg-Spannung des Torseletts und meinen glücklicherweise nicht allzu breiten Schultern also doch durchaus das Bild einer normal gewachsenen Frau.

Der Boucle’ Rock ist knielang und verdeckt leider ein ganzes Stück meiner Beine, aber egal, Mini kann ich zu Strümpfen nicht tragen. Da müsste ich ehrlicherweise besser Strumpfhosen anziehen, das habe ich vor ein paar Tagen mit dem grauen Kleid deutlich gemerkt. Aber diese Länge wirkt, in Verbindung mit den Polstern, ungeheuer fraulich. Ich habe im Spiegel eine richtig tolle Sanduhr-Silhouette. Und weil der Rock unten sehr eng ist, begrenzt er automatisch meine Schritte auf Damengröße. Doch welches Oberteil dazu? Der weiche lachsfarbene Pulli? Der sitzt gut und trägt sich angenehm.

Die lachsfarbene Bluse, die ich dann schließlich überziehe, mag ich besonders gerne. Sie sitzt einfach super und der Stoff, 100% Viskose, fließt so schön. Die nehme ich heute. Eine Halskette, ein dazu passendes Armband, Ohrclips und meine Uhr vervollständigen mein Outfit und aus dem großen Flurspiegel lacht mir eine flott gekleidete Caroline entgegen.

Um die Schuhe ein wenig einzutragen, zwänge ich mich dann doch in die roten Stilettos. Hier, wo ich viel sitzen werde und nur zwischendurch einmal aufstehe, kann ich das getrost machen. Außerdem kann ich sie ja jederzeit gegen ein anderes, bequemeres Paar tauschen. Der rechte sitzt ein bisschen eng und ich sprühe ihn kräftig mit Schuhdehnspray ein.

Bei Musik von CD arbeite ich anschließend fast zweieinhalb Stunden am Laptop. Zwischendurch gibt’s einen Apfel und etwas zu trinken, sonst nichts. Aber ich gehe immer einmal wieder auf den noch ungewohnten Stöckeln durchs Haus. Der Rechte sitzt immer noch zu eng und ich sprühe ihn von innen nochmals satt mit Schuhdehner ein. Nun heißt es 15 bis 20 Minuten umher zu gehen um das Leder zu weiten, das habe ich vorhin nicht getan.

Ich nutze die Zeit, um mein Bett zu machen und Kleidung und Wäsche wegzulegen. Hinterher putze ich noch das Bad und wasche das Frühstücksgeschirr ab. Dabei zeigt sich, dass die roten Pumps trotz ihrer hohen Absätze mit etwas Übung immer einfacher zu tragen sind.

Eigentlich bin ich verrückt! Hausarbeit in roten Stilettos zu machen. Aber das Spray beginnt in Verbindung mit der Bewegung zu wirken und das Leder zu weiten. So behalte ich die Pumps auch an als ich weiter schreibe.

Es ist schon fast 13:30 Uhr als ich fertig bin. Der Text kommt wie gehabt auf eine Diskette und kann eigentlich auch zum Verlag. Zwar bin ich momentan mehr als aktuell und habe keinen Termin- und Zeitdruck, aber etwas auf Vorrat zu arbeiten, kann nie schaden, zumal ich gerade eine schöpferische Phase habe. Trotzdem beschließe ich noch zu warten. Die bereits geschriebenen Geschichten kann ich auch hier stapeln. Sonst glauben die im Verlag noch, die Termine kürzen zu können. Und spätestens, wenn die Arbeit wieder drängt und der Alltagstrott droht, falle ich leicht wieder in eine Schreibhemmung. Das kenne ich schon.

Hier im Urlaub und mit reichlich freier Zeit ist das anders. Außerdem beschwingt mich der „Carolinezustand“ irgendwie. In Frauenkleidung, oder besser als Frau, läuft es bei mir fast wie von selbst. Das habe ich schon Zuhause gemerkt, wenn ich mal ein ganzes Wochenende als Frau angezogen verbrachte. Dann fiel mir das Schreiben leichter. Und hier, nach über einer Woche nonstop Frausein ist es noch viel besser.

Andererseits reizt mich der Gedanke, noch einmal zur Post zu fahren. Aber um unter Menschen zu kommen, kann ich mir genauso gut auch etwas anderes einfallen lassen. Wie wär’s denn mit einem Besuch in einem Café? Ein Stückchen Kuchen, ein Tässchen Kaffee, dabei Leute beobachten und gesehen werden. Eine eigentlich tolle Idee. Nur,....... bei dem Mistwetter werden viele Leute in den Cafés sein. Die werden geradezu überfüllt sein, denn draußen ist es heute wirklich nicht schön. Trotzdem, die Idee beginnt sich in meinem Kopf festzusetzen.

Ich könnte aber ja auch mal ins Strandungs-Museum nach Thorsminde fahren. Das ist erweitert worden und ein Café haben die da auch. Da werde ich nachher mal hinfahren!

Im Bad frische ich mein Make-up ein wenig auf. Ziehe die Lippen nach, nehme etwas mehr Rouge und auch um die Augen herum kann ein klein wenig mehr Farbe nicht schaden. Nun die Schuhfrage. Zur Probe wechsle ich von meinen hochhackigen roten in die schwarzen Lackleder-Pumps mit den ebenfalls 10 cm hohen Absätzen. Aber die sind mir für den Anlass zu edel und ehrlicherweise, genau wie die roten, auch zu hoch. Diese Stöckel kann ich zu einem Besuch im Museum doch unmöglich anziehen. Oder?

Dann kann ich genauso gut die knallroten Stilettos anbehalten, wenn ich um alles in der Welt auffallen will. Die Schwarzen mit den ein wenig breiteren 8cm-Hacken sind da schon besser, oder doch die Wildledernen mit der kleinen Schleife auf dem Blatt? Ja, die sind genau richtig. Bequem, trotzdem chic und auf ihren nur etwa 6 cm hohen Absätzen kann ich es gut einige Stunden aushalten. Die schwarze Handtasche ist schnell gepackt und die Jacke hängt auch noch auf dem Bügel an der Garderobe.

Ein paar Minuten später bin ich fertig, kontrolliere noch einmal alle Fenster, schließe die Luftschlitze vom Ofen und trete, ohne lange zu überlegen, hinaus vor die Tür. Das Paar neben mir ist abgereist und neue Mieter sind bisher nicht gekommen. Gut so, das Geglotze hat mich doch irgendwie genervt. Ich schwinge mich ins Auto und rangiere vorsichtig aus dem Stellplatz. Dann rolle ich mit den vorgeschriebenen 25 km/h und Licht durch das Feriendorf.

Unten an der Landstraße wende ich mich nach rechts, durchquere Fjaltring und fahre dann auf der 181 nach Süden. Auf der kilometerlangen Geraden nach Thorsminde drängen dann die Gedanken vom Morgen wieder hervor.

Wie wäre es denn, wenn ich nach meinem Urlaub einfach erst einmal meine Freizeit und da vor allem die Wochenenden von Freitagabend bis Montagmorgen als Caroline verbrächte? Das wäre doch ein Anfang. Nicht nur gelegentlich mal, nein jede freie Minute, oder besser Stunde, in Frauenkleidung und als Frau verbringen.

Und am Samstagmorgen mal ganz keck als Frau gekleidet zum Bäcker an der Ecke gehen. Schließlich hat auch hier in Dänemark kaum jemand auf mich reagiert. Ja, das wäre doch mal eine Idee. Und wenn’s klappt? Dann am Vormittag, nach einem ausgiebigen Frühstück noch einmal los, zum Markt, einkaufen!

Obwohl, …. das ist die Zeit wo die Nachbarinnen schon dabei sind, das Treppenhaus zu reinigen. Da werden die mich als Frau sehen. Dann kann es passieren, dass die eventuell etwas merken. Oder mich vielleicht auch nur für die Freundin von Stefan halten. Ich müsste als Stefan nur entsprechend Auskunft geben, wenn ich auf die Dame in meiner Wohnung angesprochen werde. Oder noch besser gleich nach dem Urlaub den Vermieter darüber informieren, dass meine Freundin zeitweise am Wochenende bei mir wohnt. Und das den Nachbarn auch gleich erzählen. Das nimmt denen den Wind aus den Segeln. Und wenn die wissen, dass da gelegentlich eine Frau aus der Tür kommt, dann schauen sie eventuell auch nicht so genau und kritisch hin.

Und das dann immer ein wenig mehr ausbauen. Auch in der Woche abends mal weggehen, zum Einkaufen im Supermarkt etwa. Oder zum Briefkasten und wenn’s nur für 10 Minuten ist. Egal wie lange, häufiger einfach mal ganz alltäglich in Erscheinung treten. Und nicht zu aufgebrezelt! Ganz schlichte Alltagsklamotten nur. Zwar Rock und Bluse und Damenjacke, und Pumps aber nichts, was zu aufgedonnert wirkt. Nur, dass mich die Nachbarn immer mal wieder sehen, dass Carolines Anblick ganz langsam selbstverständlich wird.

Auch den Winter über, immer mal wieder rausgehen. Da ist es sowieso viel düster und grau, da sehen die dann nicht so viele Kleinigkeiten. Und auch dann ruhig im Rock mit hübschen Stiefeln dazu und mit Mantel drüber, dass die Leute sich daran gewöhnen können. Selbst wenn es nur zu kurzen Besorgungen ist. Hauptsache, man sieht mich, findet nichts dabei, dass immer mal wieder eine Frau aus der Wohnung kommt.

Und immer mal wieder irgendwelche Kleinigkeiten in den Geschäften im Ort kaufen, nicht immer gleich nach der Arbeit alles in Hamburg besorgen. Man gewöhnt sich so auch in den kleinen Läden bei uns im Ort an mich und an meinen Anblick. An die Frau, die immer Rock trägt. Aber schließlich trägt ja auch die Nachbarin, die über mir wohnt, praktisch ständig Rock oder Kleid. Die habe ich noch nie in langer Hose gesehen. Und ziemlich hohe Schuhe hat sie auch fast immer dazu an. Da wird eine zweite Dame in Röcken wohl nicht so auffallen im Haus.

Und im nächsten Frühling, an einem schönen Sonntagnachmittag, hübsch aufgerüscht in meinem bunten Sommerkleid und auf meinen neuen roten hohen Pumps rausgehen zum Spaziergang. Oder mit meinem weiten, weißen Rock und der dunkelblauen Jacke, auf den hohen weißen oder blauen Pumps, die mir Annagreta vor ein paar Tagen verkauft hat.

Oder in meinem vanillefarbenen Kostüm. Das habe ich bisher immer nur Zuhause angezogen. Dazu hatte ich noch keine richtig farblich dazu passenden Pumps. Aber jetzt mit den cremefarbenen von Annagreta? Und damit dann nach Hamburg hinüber fahren und in der Innenstadt shoppen gehen. Oder, oder, oder. Meine Gedanken und Wünsche beginnen zu galoppieren.

Aber erst einmal die Nachbarn ganz langsam an Caroline gewöhnen, das muss einfach klappen. Allerdings,……… die sehen dann abwechselnd mal Stefan und mal Caroline, nie beide gemeinsam. Und eine Frau, die immer allein spazieren geht, fällt auf. Da muss ich mir etwas einfallen lassen. Aber vielleicht habe ich bis zum Ende des Urlaubs soviel Selbstvertrauen gewonnen, dass ich das so machen werde. Schließlich ist auch die Frau über mir, die Rockträgerin, solo und keiner zerreißt sich darüber das Mundwerk. Die absolut schärfste Idee wäre es natürlich, diese Frau einzuweihen. Ihr Caroline offiziell vorzustellen und zusammen mit ihr wie zwei Freundinnen loszugehen.

Aber das ist Blödsinn. Ausgemachter Schwachsinn sogar! Wieso sollte eine allein stehende Dame, die ich auch gar nicht weiter kenne, Verständnis für einen wie mich haben und so etwas Merkwürdiges auch noch mitmachen?

Inzwischen habe ich Thorsminde erreicht und fahre langsam auf den großen Parkplatz am Museum. Es ist voll heute, aber das war zu erwarten. Ganz hinten wird gerade eine Lücke frei und vorsichtig rangiere ich hinein. Ein paar Meter vor mir stehen etliche Petrijünger mit ihren Angeln und schauen zu mir herüber. Einige grinsen als ich nicht gleich die Ideallinie treffe. Ich kann förmlich spüren, wie sie über die blöde Tussi tuscheln die nicht mal richtig Auto fahren kann. Zweimal fahre ich vor und zurück bis mein Golf endlich richtig steht. Es ist sehr eng hier und ich möchte auf keinen Fall eine Beule in der Tür riskieren.

Trotz der blöden Blicke steige ich aus und tripple mit schnellen kleinen Schritten durch den Sprühregen zum Museum hinüber. Vorsichtig balanciere ich über die Kratzroste zur Tür. Das ist auch so eine gemeine Falle, die eigentlich nur Frauen gestellt wird. Jeder etwas kleinere Absatz ist in solch einem Ding stark gefährdet.

Im Eingangsbereich herrscht dichtes Gedränge. Einige Familien scheinen gleichzeitig hinaus zu wollen. Mir ist das Recht. Zu viele Kinder sind mir gar nicht geheuer, die sehen einfach zuviel und stellen dann eventuell Fragen.

Hinter dem Kassentresen steht ein junger Mann. Groß, blond, breitschultrig und bärtig, so richtig der Typ Wikinger, und er scheint mich erwartungsvoll lächelnd anzusehen. Mist, ich kriege weiche Knie, der hat mich durchschaut. Aber soll ich deswegen weglaufen? Nein! Ich trete auf ihn zu und verlange mit leiser Stimme eine Eintrittskarte. Die bekomme ich auch und dazu eine dicke Mappe, in der ich, das erklärt mir der Wikinger freundlich lächelnd, eine deutsche Übersetzung zu den Exponaten finde. Woher weiß denn der, dass ich Deutscher bin, oder besser Deutsche? Warum nur lächelt der so, überlege ich. Hat der wirklich etwas bemerkt oder grinst der eigentlich nur so? Dann fällt es mir ein! Ich habe doch soeben auf Deutsch eine Eintrittskarte verlangt. Logisch, dass ich dann auch die passende Übersetzung bekomme. Und ganz sicher ist meine Stimme zu auffällig. Da kann ich noch so leise sprechen, das merkt man einfach.

Wieder etwas entspannter, weil nichts weiter passiert ist, gehe ich den langen Flur entlang zu den Garderobenschränken. Hier auf den Fliesen machen meine Pumps einen, wie ich finde, Heidenlärm. Wie hätte sich das bloß mit den Metallabsätzen angehört? Ohne meine Jacke und gleich viel lockerer, klappere ich dann zurück und trete ein. Das Museum ist hell und freundlich, nur der Holzfußboden knarrt stellenweise unter meinen Pumps, deren Absätze auch darauf einen ziemlich harten Klang haben. Die wenigen anderen Besucher tragen, soweit ich das auf die Schnelle sehen kann, Hosen und meist derberes Schuhwerk. Trotzdem fühle ich mich in meiner Aufmachung überhaupt nicht unwohl, wie es bei meinen ersten Ausflügen als Frau noch der Fall war. Übung macht die Meisterin! Ich tue ja auch nichts Verbotenes, bin einfach eine Besucherin. Allerdings eine, die ein wenig anders gekleidet ist, als die meisten anderen hier. Aber eine weitere Dame im Rock sehe ich nach einigen Augenblicken wenigstens, und die trägt, genau wie ich, Pumps dazu.

So trete ich denn an die erste große Vitrine heran und lese in meinem Ordner den dazu gehörigen Text. Hunderte, wenn nicht tausende von Fundstücken sind mittlerweile hier im Museum ausgestellt. Sie alle stammen von den Wracks der beiden englischen Kriegsschiffe die hier Weihnachten 1812 auf dem Weg von Kopenhagen nach London im Sturm gescheitert sind. Die Segel zerrissen, die Takelage zerstört, wurden sie vom Orkan an den Strand gedrückt und von der unbarmherzigen Brandung in Stücke geschlagen. Über 1200 Tote hat es gegeben und die wurden von den wenigen armen Fischern einfach in Dünenmulden gebettet und mit Sand bedeckt. Was hätten die armen Kerle denn sonst auch tun sollen. Ihren Lebensunterhalt zu verdienen, war schwer genug, da blieb nicht auch noch Zeit, hunderte und aberhunderte von Gräbern auszuheben. Deswegen auch kommen selbst heutzutage noch, nach schweren Stürmen und Sandabbrüchen an den Dünen, einzelne Skelettteile zum Vorschein. „Gruselig...“, denke ich und mir läuft ein Schauer den Rücken hinunter, aber wie sollten die das damals auch sonst machen.

Im Kinoraum läuft dreimal pro Stunde ein Film über die Bergung der Wrackteile. Je einmal auf Dänisch, Englisch und Deutsch. Als die deutsche Version dran ist, trete ich ein und setze mich in eine der mittleren Reihen. Kurz darauf kommt eine Familie mit drei Kindern herein. Der Vater mit den beiden größeren Mädchen geht ganz nach vorne in die erste Reihe. Die beiden sind vielleicht 4-6 Jahre alt, haben lange dunkelgraue Röcke an und beige Blusen und tragen bis weit den Rücken hinunter reichende Zöpfe.

Der Vater dazu, hat eine altmodisch geschnittene Cordhose mit Schlag und großer Leibhöhe an. Der Gürtel sitzt deswegen weit oben und dazu halten noch zwei solide Hosenträger dieses Gebilde. Die junge Frau mit einem Baby auf dem Arm setzt sich zwei Stühle neben mich. Während sie dem Geschehen auf dem Bildschirm folgt, guckt mich das Kleinkind immer wieder von der Seite an. Die oder der Kleine sucht immer wieder Blickkontakt, was mich irritiert. Auch die Mutter bemerkt das schließlich, guckt zu mir herüber und lächelt dann entschuldigend.

Sie trägt ein merkwürdiges graues Kleid das fast bis zum Fußboden reicht. Darunter, soweit ich sehen kann, graue Wollstrümpfe und altmodische schwarze Schuhe, mit Ristriemchen und ohne Absätze. Ihre Haare sind zu einem Zopf geflochten und dieser windet sich um ihren Kopf. „Komische Typen.“, denke ich noch, „Sind das Hippies, Spätaussiedler oder gehören die einer Sekte an?“ Gegen Hippies spricht jedoch ihre eintönige Kleidung und das völlig ungeschminkte und ein bisschen verhärmt wirkende Gesicht der Frau.

Dann ist der Film zu Ende, ich erhebe mich und gehe zur nächsten Vitrine hinüber. Die junge Frau mit dem Baby folgt mir, mustert mich, wie ich aus den Augenwinkeln sehen kann, sehr genau. Daran, dass sie die deutsche Version des Films gesehen hat, weiß ich, dass sie ebenfalls Deutsche sein muss. Aber auch sie weiß das von mir und ich warte einfach ab.

Doch nichts geschieht. Sie schaut mich nur immer wieder von der Seite oder durch die Glasscheiben hindurch sehr genau an. Treffen sich unsere Blicke, wendet sie sich ab oder lächelt scheu. Wenig später, als ich um eine Stellwand herum gehe, steht sie plötzlich dicht neben mir. Sie lächelt verhalten, sagt aber nichts. Ihr Mann und die beiden Mädchen melden sich zur Toilette ab und kaum, dass sie einige Meter weg sind, spricht die Frau mich leise an. Sie schaut mich dabei aber nicht an, sondern starrt weiterhin in einen der großen Glasschränke hinein.

Leise und wie zu sich selbst sagt sie dann, sie kenne noch eine wie mich, und sie habe großen Respekt vor meiner Entscheidung, in Frauenkleidern hinaus zu gehen und wie eine Frau zu leben. Allerdings missbillige sie meine nackten Beine und die hochhackigen Schuhe. Es gehöre sich nicht, seine Beine in durchsichtigen Strümpfen zur Schau zu stellen. So etwas mache die Männer nur unruhig. Erstaunt schaue ich an mir herunter. Im Stehen sind meine Knie gut bedeckt und die fünf, oder sechs Zentimeter Absätze sind wirklich alles andere als hoch. Hätte ich die schwarzen Lacklederpumps angezogen, oder die roten und dazu meinen Mini, gut das könnte man als auffällig bezeichnen, aber so?

Vor ein paar Tagen, mit meinem grauen Kleid, in Verbindung mit den hohen grauen Pumps, und dann auch noch mit Nylons darunter! Da, das sehe ich im Nachhinein auch so, hätte ich besser auf eine Party als in das Küstencenter gepasst.

Sie redet plötzlich von meinen Knien, die vorhin im Kinosaal zu sehen waren. Das sei unzüchtig. Mein Gott, ich hatte die Beine übereinander geschlagen, da kann schon mal der Saum ein Stückchen hoch rutschen. Was ist dabei? Bis zu meinen Strumpfrändern war es ja aber immer noch ein gutes Stück weit. Oder hat sie Angst, ihr Mann könnte anderen Frauen hinterher schauen? Dann sollte sie sich vielleicht mal ein bisschen flotter kleiden.

Sie wünsche mir trotzdem „viel Kraft und Erfolg“, sagt sie. Und sie will für mich beten, das sei sehr wichtig, damit ich meinen Weg finde. Genauso, wie sie für die vielen toten Seelen hier beten will, die unter so grausamen Umständen, weitab der Heimat ihr Leben lassen mussten. Ich bin erstaunt, antworte ihr leise, dass ich das nett finde, was sie gesagt hat und dass ich ihren Rat befolgen werde.

Von uns unbemerkt ist ihr Mann hinter uns getreten. Er hat dunkle, fast schwarze Augen und guckt grimmig. Wortlos zieht er seine Frau am Arm von mir weg und redet dann in der Ecke einige Zeit leise aber sehr bestimmt auf sie ein. Anschließend nimmt er die Mädchen fest bei der Hand und alle fünf verlassen eilig das Museum.

Ich kann noch sehen, wie sie an der Garderobe stehen und er weiterhin eindringlich auf sie einredet. Dabei zeigt er einige Male auf mich und auch auf die drei Kinder. Dann drängt er die Familie beinahe hinaus. Was habe ich falsch gemacht, oder was hat der Kerl für negative Erfahrungen, dass er so ablehnend reagiert? Ich weiß es nicht und es ist eigentlich auch egal, schließlich muss ich mit mir klar kommen, nicht er.

Nach einer weiteren knappen Stunde bin ich durch sämtliche Ausstellungstücke hindurch. Vorn sehe ich mir noch die Schautafeln an, die Fotos diverser Schiffbrüche an der Küste hier zeigen. Dann gebe ich meine Mappe am Tresen zurück.

Der Wikinger nimmt sie entgegen, lächelt dabei wieder so komisch, sagt aber nichts. „Gut.“, denke ich, „Wenigstens der ist freundlich.“ und schlendere hinüber zur Cafeteria. Es ist recht leer geworden dort, etliche Tische sind frei. So komme ich also doch noch zu meiner Tasse Kaffee. Vorsichtig trete ich ein und orientiere mich erst mal. Dann greife ich mir ein Tablett und schiebe mich an dem Buffet vorbei. Ein schönes Stück Schokoladentorte gönne ich mir und einen großen Becher Kaffee mit viel Milch. Das junge Ding an der Kasse scheint nichts bemerkt zu haben, oder ihr ist es völlig gleichgültig, wer hier Gast ist. Unbeeindruckt nimmt sie meine Kronen und gibt die wenigen Öre Wechselgeld wieder heraus.

Hinten an der Wand sind einige Tische frei. Ich wähle den zum Fenster hin, da kann ich sehen was draußen los ist und gleichzeitig habe ich den Rücken gedeckt.

Der Kaffee tut gut und der Kuchen schmeckt – typisch dänisch – für meinen Geschmack etwas zu süß. Von meinem Platz aus kann ich die Angler draußen stehen sehen. Es scheint dass der Dauerregen aufgehört hat. Aber es ist immer grau in grau.

Außerdem habe ich durch die großzügig verglasten Trennwände auch den Eingangs- und Kassenbereich im Blick und bemerke, dass der Wikinger von einer jungen Frau abgelöst wird. Er verschwindet nach links in die Verwaltungsräume aus meinem Blickfeld.

Sekunden später erscheint er durch eine Tür von der Küche her in der Cafeteria, nimmt sich ein Tablett und häuft zwei, drei Kuchenstücke und einen großen Kaffeepott darauf. Mit dem Mädchen an der Kasse wechselt auch er nur wenige Worte. Aus den Augenwinkeln versuche ich unauffällig zu schauen, wohin er geht, um dann heftiges Herzklopfen zu bekommen. Er wendet sich nämlich den Fenstern und direkt mir zu. Und dann, obwohl noch etliche Tische frei sind, steuert er geradewegs auf meinen los.

„Hassst du noch eine Platz an deine Tisssh“ kommt freundlich seine Frage. Ich nicke nur mechanisch, während ich instinktiv eine abwehrende Haltung einnehme. Umständlich stellt er sein Tablett ab und klappt seine langen Beine unter dem Tisch zusammen. „Jetzt ist alles zu spät!“, denke ich. „Der hat dich durchschaut!“ Jetzt kann ich nur noch versuchen, hier mit Anstand und Freundlichkeit hinaus zu kommen. Sicherheitshalber lege ich schon einmal meine Handtasche bereit. Wenn es jetzt schnell gehen muss, dann will ich auf keinen Fall etwas vergessen oder liegen lassen.

Der blonde Recke nimmt sein erstes Kuchenstück in Angriff. Er isst langsam und bedächtig, und irgendwie mit Stil. „Benehmen hat er jedenfalls.“, denke ich erleichtert. Wenigstens kein Prolet, der seine Ellenbogen auf dem Tisch abstützt. Er schlürft auch seinen Kaffee nicht, obwohl der genau wie meiner brühheiß sein muss. Und überhaupt, trotz seines wilden Aussehens macht er einen doch recht zivilisierten Eindruck. Etwa Ende zwanzig mag er sein, aber das kann täuschen. Der wilde Bart, die blonde Mähne und seine braune Haut können auch älter machen als er ist.

Ganz langsam entspanne ich mich wieder, überlege, ob ich jetzt nicht besser meinen Kaffee austrinken und gehen sollte. Mein Gegenüber scheint meine Unsicherheit bemerkt zu haben, lächelt ein wenig, wobei er den Kopf schief hält und sagt entschuldigend: „Bitte, junge Frau, sssie mussen nicht denken, ich will etwas von sssie“.

Mist! Ich spüre förmlich, wie mir das Blut in den Kopf schießt. Man sieht mir meine Angst offensichtlich sogar an! Was jetzt? Aber sein Deutsch ist gar nicht schlecht und benehmen kann er sich auch. Außerdem sind hier entschieden zu viele Menschen, als dass er sich etwas Schlimmes erlauben könnte. Ich werde sitzen bleiben. Besser gesagt, sitzen bleiben müssen! Denn meine Beine bestehen zurzeit sowieso nur aus Pudding, so aufgeregt bin ich. Da käme ich wahrscheinlich nicht mal heil bis zur Tür.

„Bitte.......“ sagt er dann, legt die Kuchengabel zur Seite und guckt treuherzig. „Bitte, ich habe gedacht, dasss ich dich bitte möchte etwasss fragen,..... ja“?

Mein Ja, das ich dann heraus quetsche, ist vor Aufregung gekrächzt. Er grinst darüber wieder.

„Und was möchten sie fragen?“, erwidere ich leise, nachdem ich mich erst einmal geräuspert habe.

Doch beinahe kann ich es mir schon denken. Gleich kommt eine Frage nach meinem Geschlecht oder warum ich Frauenkleider trage. Ich mache mich innerlich auf einen überstürzten Aufbruch gefasst und greife schon einmal nach meiner Handtasche.

„Du bisss ein sssehr besonderss un ein hübssshe Frau. Aber brauchssst du kein Angst.… haben,…. ich will nix von dich“.

„Besondere Frau“ meint er. Na prima. Da gebe ich mir seit eineinhalb Wochen alle Mühe so authentisch wie irgend möglich als Frau zu erscheinen und der hat mich gleich durchschaut. Was ist es bloß, was mich so offensichtlich gleich verrät? Wahrscheinlich ist mein Bewegungsablauf immer noch viel zu eckig. Und ich bin sicherlich doch zu aufgedonnert, zu aufgebrezelt und viel zu feminin angezogen! Ich leuchte ja auch wie ein Leuchtfeuer inmitten der anderen Frauen, in Hosen, Pulli und festen Schuhen. Mit Make-up, Lockenfrisur sowie Rock und hohen Schuhen sehe ich logischerweise auch ganz anders aus als die meisten anderen, die er hier sonst sieht.

„Bei uns in Danmark wir haben ssehr viel Toleranss“, strahlt er mich an. „Wir sssind ssehr liberal. Du kannst alles maaken, wenn du nicht verstosst gegen Gesetzen!.......... Unn es gib kein Gesetzen, die sagen, was du darfsss ansssiehen. Sso ich finde ess ssehr ssshön un mutig, dass du gehss in Publikum mit deine hübsshe Dametoye,............. In Kleider von Dame heissst auf deutssss ja? Wenn ich nich weisss, dass du bisss ein bissschen anders.“ Er lächelt dabei. „Ssso ich werde dich sagen, dass du ein sssehr sssöhne Dame bisss.“

Jetzt bin ich platt! Er weiß dass ich keine Frau bin, macht mir trotzdem Komplimente und will doch offensichtlich nichts von mir. Also kein perverser Spinner, oder Schwuler, der mich anbaggern will. Ich atme erleichtert auf. Aber ich muss mich erst noch einmal räuspern, bevor ich ihn leise fragen kann, was mich verraten hat.

Er grinst breit. „Dein Stimme passs nich ganz zu dein Anblick. Aber muss man wissen, was isss anders, dann erss man merkt. Du biss einfach ein hübssshe Frau,...... wie ein richtig Lady, aber ein bissschen komissh. Zuerst ich weisss nich, was bei dir nich richti, was iss anderss. Aber alss die Frau mit Baby und Mann mit kleine Kinder haben ssehr laut über dich gereden an Udgang, dass du bist Transvestiteswin oder sso, da ich weiss Besssheid“.

Ich bin schockiert, Transvestitenschwein hat mich der Kerl genannt. Trotzdem schaffe ich es den blonden Hünen vor mir leise zu fragen: „Und,...... ist es schlimm das ich so bin“?

Er grinst wieder. „Neij, neij,……nich slimm. Der Mann sslimm, ssehr sslimm! Das Wort er verwenden iss ssslimm. Du biss hübsshe Frau,..... ja“, es folgt ein Schulterblick hinüber zum Eingang. „Aber............. aber mein Freundin an die Kasse warten auf mich“. Und nach einem weiteren Grinsen: „Sssonst ich vielleich gehe mit dir, weil du ssehr viel Frau biss. Wenn die Leuten nich erzählt über dich, ich musss weiter denken unn denken, aber ich nich ssicher wass du wirklich. Frau oder Mann? Aber ich denke jetzzz, dass du biss Frau. Ssshöne Frau mit toll Figur, hübsshe Kleider und ssehr ssshöne Bein. Viel Fraue besstimm eifer...sü.....?“

„Eifersüchtig.“, helfe ich.

„Jaa, ssehr eiferssüchti auf deine hübsshe Beine. Du biss wunderssshöne Frau! Und viel Männe besstimm laufen hinterher,….. ja“?

Was soll ich dazu sagen. So viele Komplimente habe ich noch nie bekommen. Und bestimmt werde ich jetzt auch noch knallrot.

„Ich weiß nicht.“, antworte ich leise. „Ich mach mir nichts aus Männern. Ich achte nicht darauf ob sie hinter mir her schauen“.

„Dass sssollss du aber bessser maken. Du kannsss bestimm ausssuchen dir einen. Ein mit gansss viel Penge,….. viel Geld,…… unn wenn er isss nett……..?“

„Aber Ich bin doch eigentlich selber einer“, höre ich mich ohne viel Überzeugung sagen. Und ganz leise, wie zu mir selbst. „außerdem mag ich lieber Frauen“.

Neij, neij, du biss Frau. Aber wenn du biss eigentli Mann und willsss lieber ssein ein Frau un magss Fraue lieber, dann iss ssehr komplisssiert. Dann,........ dann du biss ja lesbissh“.

Dabei grinst er wie ein Honigkuchenpferd. Ich kann nur nicken, so ist es ja eigentlich auch.

Mein Wikinger hat inzwischen das letzte Kuchenstück verdrückt, kippt den Rest Kaffee hinterher und faltet seine langen Beine unter dem Tisch hervor. Dann greift er nach dem Tablett, beugt sich ein Stück zu mir herunter und sagt: „Darff ich mitnehmen deine Ssachen; du biss fertig“?

Ja, mein Kaffeebecher ist ebenfalls leer. Verhalten lächelnd schiebe ich mein Tablett ein Stück zu ihm hinüber. „Mange tak for alt“, sage ich leise zu ihm, was etwa soviel heißt wie „Vielen Dank für alles“.

Er strahlt mich an. „Sssiest du, jetzzz du wieder biss ganzzz toll Frau. Ssso lächel un ausssieht nur ein Frau wenn,...... wenn glückli…“, sagt er, nimmt die beiden Tabletts und geht mit großen Schritten hinüber zur Geschirrrückgabe.

Ich warte noch einen Augenblick ab. Von wegen glücklich. In mir rumort es. Zuviel ist in der letzten halben Stunde passiert. Und das „Transvestitenschwein“, das sitzt ganz tief. Was habe ich dem blöden Kerl bloß getan? Und seiner Tussi? Beten will sie für mich. Na super. Das waren doch irgendwelche Sektenfuzzis? Solche Leute soll’s geben, die einerseits nach der Bibel leben, aber andererseits nicht akzeptieren können, dass Gott eben auch solche Menschen wie mich erschaffen hat. Gut, vielleicht übt sie ja immer noch, aber auch das sollten wir so hinnehmen.

Als ich glaube, meine weichen Knie wieder unter Kontrolle zu haben, will ich los. Mein Wikinger hat sich noch einen Augenblick mit dem Mädel an der Cafeteria-Kasse unterhalten. Dann verschwand er durch die gleiche Tür zur Küche, durch die er auch herein gekommen war.

Betont langsam stehe ich schließlich auf, nehme meine Handtasche und schlendere ganz langsam hinaus. An der Museumskasse steht noch die junge Frau, die mich freundlich anlächelt. Ich muss jetzt erst einmal zur Toilette und laut hallen meine Schritte den langen Flur entlang. Vorsichtig nehme ich in der Kabine zuerst meine vier Polster heraus, bevor die wohlmöglich noch in der Kloschüssel landen. Nachdem ich mich erleichtert habe, müssen sie nun hier in der engen Kabine auch wieder an ihre Plätze. Als das endlich zu meiner Zufriedenheit geklappt hat, bin ich soweit, dass mir der Schweiß ausbricht. Also ausgiebig die Hände mit eiskaltem Wasser waschen. Nun muss ich aber noch schnell mein Make-up überprüfen. Ein klein wenig Puder kann nicht schaden und auch die Lippen sollte ich nachziehen. Dabei merke ich, dass meine Finger immer noch leicht zittern.

Als eine Frau mit zwei halbwüchsigen Mädchen den Waschraum betritt, bin ich gerade fertig und trete wieder hinaus auf den Flur. Aus dem Garderobenschrank nehme ich meine Jacke heraus und lege sie mir über den Arm. Der Wikinger steht wieder an der Kasse und die junge Frau direkt neben ihm. Beide schauen in meine Richtung, aber nichts lässt darauf schließen, dass sie über mich gesprochen haben.

Als ich ganz nah heran bin und noch ein paar Prospekte an mich nehme, spricht mich die junge Frau über den Tresen verhalten an. Ihr Deutsch ist fast perfekt, als sie sagt: „Ich finde es großartig, was Sie tun! Nein, ...... wir,........ finden es großartig! Das ist bestimmt nicht leicht, aber wir meinen, dass sie eine ganz tolle Frau abgeben.“ Und dann ein wenig leiser, weil neue Besucher durch die Türen drängen. „Zumindest sehen Sie sehr wie eine Frau aus. Wir hoffen Sie gehen ihren Weg. Jeder Mensch auf dieser Welt hat sein Ziel und Ihres sehe ich klar vor mir.“

Damit wendet sie sich ab und verkauft neue Eintrittskarten. Ich bin baff! Ich weiß selber nicht, was ich will und diese junge Dänin sieht mein Ziel klar vor sich. Das nenne ich ein gesundes Selbstvertrauen.

Ich trete an die Seite und ziehe erst einmal meine Jacke über. Das Gedränge ist mir hier zu groß. Vorsichtig balanciere ich über die Absätze mordenden Roste hinaus und eile mit kleinen schnellen Trippelschritten durch den erneut einsetzenden Sprühregen zu meinem Auto.

Die Angler stehen noch immer stoisch geduckt im Regen und warten. Warten worauf? Darauf, dass die Heringe beißen? Oder, dass die Frau im Rock zurück kommt? Letzteres scheint mir wahrscheinlicher, denn kaum, dass ich mich meinem Auto nähere, drehen sich die Typen nach und nach um und starren mich an. Geradezu unverhohlen schauen mir etliche auf die Beine. Andere gucken höher, taxieren mein Gesicht und wohl auch meine Oberweite. Nicht auszudenken die Reaktionen, wenn ich die Riesenbrüste meiner Anfangszeit noch tragen würde und die roten Stilettos. Ich grabe noch im gehen in meiner Handtasche nach den Autoschlüsseln, bekomme sie zu fassen und schließe schnellstens die Fahrertür auf. Mit dem inzwischen gut verinnerlichten Bewegungsablauf schwinge ich mich ins Auto und ziehe die Beine nach. Noch bevor ich die Tür schließen kann, höre ich den hoffentlich anerkennend gemeinten Pfiff. Mir wird nun doch mulmig. Ich mag diese jungen Männer nicht. Zumindest nicht, wenn sie im Rudel auftreten.

Geht das richtigen Frauen auch so? Fühlen die sich von solchen Typen auch belästigt und blöde angemacht? Oder liegt es an mir und meiner Situation? Haben die mich durchschaut? Liegt es ganz einfach daran, dass ich zu aufgebrezelt bin, zu aufgedonnert und zu künstlich wirke?

Vorsichtig rangiere ich aus der Parkbucht heraus, rolle langsam zur Ausfahrt. Eigentlich will ich jetzt nur noch zurück in mein Ferienhaus. Kaum aus dem Ort heraus und auf der langen Geraden beruhigen sich meine wilden Gedanken aber wieder.

Natürlich bin ich den Kerlen aufgefallen! Ich war weit und breit die einzige im Rock, mit Nylons und auf hochhackigen Schuhen. Da falle ich einfach auf! Aber ich will nicht in langer Hose rausgehen und vielleicht noch auf platten Tretern. Dann muss ich wohl auch damit leben, angestarrt zu werden.

Und durchschaut haben die mich sicherlich nicht. Dazu haben sie mich nur zu kurz sehen können. Schließlich hat sogar der Wikinger lange gebraucht, um etwas zu merken.

Aber wie ergeht es den Frauen? Werden die auch so angestarrt und angemacht? Zu gerne würde ich mich darüber einmal mit einer Frau unterhalten, ihre Erfahrungen hören und ihre Strategien erfahren. Aber wie? Wo und wie kann einer wie ich sich über solche pikanten Themen unterhalten?

Eventuell im Internet. In Foren, die sich mit Crossdressing auseinander setzen. Oder in dem Forum für Nylons, in dem ich schon manchmal gelesen habe. Da tauschen sich Frauen aus, die täglich und aus Prinzip Strumpfhosen, Strümpfe, Röcke und High-Heels tragen. Und bestimmt haben die auch schon mal Situationen erlebt, die nicht so ganz einfach waren. Auch gibt’s da eine Ecke für Teilzeitfrauen, ein netter Begriff für solche wie mich. Da werde ich nach dem Urlaub mal nachsehen. Die können mir sicher Tipps geben.

Und die Selbsthilfegruppe, die ich in Hamburg ausfindig gemacht habe, die werde ich nach meinem Urlaub aufsuchen. Und da gehe ich auf jeden Fall als Caroline hin, egal was die Nachbarn denken, wenn ich da aus der Wohnung gestöckelt komme.

Inzwischen bin ich bereits wieder kurz vor Fjaltring und überlege, ob ich noch etwas vom Köpmand brauche. Nein, eigentlich nicht, eigentlich habe ich alles. Trotzdem halte ich vorm Laden an, denn es steht weit und breit kein Auto davor, und frisches Brot kann ich auch heute gleich mitnehmen.

Im Laden ist es trotzdem nicht leer. Etliche ältere Damen stehen gleich vorne an der Käsetheke herum und unterhalten sich intensiv. Ich greife mir schnell einen Einkaufskorb und mache meine Runde. Milch nehme ich auch gleich mit und etwas abgepackten Käse. Dann das Brot, das ich eigentlich nur kaufen wollte und zum Schluss nehme ich noch eine Frauenzeitung mit, die heute aus Deutschland neu eingetroffen sein muss.

Obwohl die Gruppe der Frauen die ganze Zeit am Tresen steht und sich lautstark unterhält, trete ich heute viel selbstsicherer heran. Die ältere Verkäuferin wendet sich mir zu und rechnet die wenigen Teile zusammen. Unbehelligt von den anderen zahle ich und verstaue meinen Einkauf im Netz. Ohne Hast gehe ich anschließend die wenigen Schritte zur Tür und hinüber zum Auto und fahre zum Haus.

Den restlichen Spätnachmittag verbringe ich bei gemütlich knisterndem Kaminfeuer vor dem Fernseher. Da läuft doch schon wieder so ein schöner alter Heimatfilm. Diesmal auf Südwest III. Allerdings sind die Frauen diesmal nicht ganz so flott und sexy angezogen, denn die Handlung spielt auf dem Dorfe. Nur die reiche und intrigante Tante, gespielt von Grete Weiser, trägt hübsche Kleider und hochhackige Schuhe.

Kurz nach 18 Uhr mache ich mich mit einem Schirm zur Telefonzelle auf. Meinen Eltern geht’s gut und mir auch, was sollen wir da lange reden. Wieder zurück im Haus mache ich mir ein paar Schnittchen und lese ausgiebig bis ich gegen 22:30 das Buch durch habe und ins Bett gehe.

Weiter mit Teil 9