Ein Ausflug nach Heide

Nach den guten Erfahrungen die wir bei einigen Unternehmungen gemacht haben, kam auf einem der monatlichen Gruppentreffen die Frage auf, was wir noch unternehmen könnten. Schließlich kamen wir überein, mit denen, die mit wollten, doch einmal irgendwo gemeinsam shoppen zu gehen. Im Oktober 2005 war’s dann soweit und schon am frühen Samstagmorgen standen Schminken und hübsch Anziehen auf dem Plan. Vor lauter Aufregung schmeckte das Frühstück natürlich wieder einmal nicht besonders gut, aber das kennt frau ja schon.

Mit einem Paar Ersatzschuhen, falls die Lieblingspumps wieder erwarten im Laufe des Tages zu drücken beginnen sollten, der sorgfältig gepackten Handtasche nebst Ersatzstrumpfhose, denn der Laufmaschenteufel packt erfahrungsgemäß meist im ungünstigsten Augenblick zu, ging es dann zusammen mit der besten Ehefrau von allen auf die Autobahn.

Juliane und Jasmin in Heide

Kurz vor 10 Uhr in Heide angekommen fand ich sogar schnell einen freien Parkplatz. Zu Fuß, und ich natürlich noch ein wenig aufgeregt, waren wir dann unterwegs zum Treffpunkt am Marktplatz. Dort standen wir dann einige bange Minuten lang herum und waren Mittelpunkt des Geschehens. Jedenfalls kam es mir so vor, aber bestimmt haben sich nur wenige nach mir umgedreht. Natürlich gab es den einen oder anderen erstaunten Blick von Seiten der Passanten, aber das kenne ich schon. Damen mit Gardemaß sind eben selten! Doch ich trage trotzdem Pumps mit kleinen Absätzen. Wenn auch nicht allzu hohen. Ballerinas würden sich bei meiner Länge sowieso nicht viel auswirken und ich mag sie auch nicht. Ich habe das Gefühl, darauf einfach zu platt und plump durch die Gegend zu latschen.

Innerhalb von zehn Minuten hatten wir uns dann gefunden und begrüßt und nachdem noch schnell der nächste Geldautomat um etliche € erleichtert worden war, ging es los in die Fußgängerzone. Ein großes Haushaltswarengeschäft war der erste Anlaufpunkt, denn unsere mitgereisten Frauen hatten im Schaufenster etwas erspäht. Nach einer guten viertel Stunde hatten wir Ladys alles Gewünschte beisammen und das Personal war um die Erkenntnis reicher, das wir Crossdresser offensichtlich auch nur ganz normale Menschen sind.

Die Fußgängerzone war an diesem sonnigen Spätherbsttag recht belebt und eigentlich fielen wir in der Masse wenig auf. Außer vielleicht weil wir Röcke trugen, was ja leider schon fast eine Ausnahme ist. Ich war inzwischen ganz entspannt und genoss es mehr und mehr, wieder einmal einen Tag als Frau unterwegs zu sein. Wir schauten in etliche kleinere Geschäften hinein, brachten das Personal eines Schuhgeschäftes zum Grübeln, weil auf die Nachfrage welche Größe -die Dame- denn bräuchte, von mir ein „44 bitte“ als Antwort kam. Die war dort natürlich nicht auf Lager, aber die anderen waren teilweise erfolgreich.

Nachdem die erste Stunde herum war fanden wir uns in dem größten Textilkaufhaus am Platze wieder. Nun begann auch die Blase zu drücken und wir machten uns auf die Suche nach den Toiletten. Die waren zwar schnell gefunden, aber oh Schreck, im Vorraum der Damentoilette, und wo soll eine Dame sonst auch hin, standen die Frauen schon Schlange. Nun hieß es abwarten und sich möglichst normal verhalten, was mir offensichtlich auch ganz gut gelang. Zwar konnte ich im Spiegel den einen oder anderen zweifelnden Blick auffangen, aber es kam kein blöder Spruch, oder gar schlimmeres. Beim anschließenden Hände waschen war ich schon wieder viel ruhiger und so puderte ich mir noch die Nase leicht über und zog die Lippen nach. Eine ältere Dame am anderen Waschbecken, grinste mich dabei im Spiegel wissend an.

Die nächste Stunde durchstreiften wir die Etage mit den Damenmoden. Schauten hier, prüften dort, verglichen die Preise und sahen uns die Sonderangebote an. Eben ganz wie Frauen das so tun. Das Verkaufspersonal reagierte ausgesprochen freundlich, auch wenn es mal etwas länger dauerte, oder sich jemand trotz längerer Bedenkzeit und mehrfachen Anprobierens schlussendlich doch nicht für die tolle Jacke mit dem Pelzkragen entscheiden konnte.

Anschließend wollten die drei Frauen noch ein Bastelgeschäft besuchen was wir Mädels dazu nutzten, uns in einem kleinen Lokal ein Tässchen Kaffee, oder Tee zu gönnen. Auch hier zunächst die schon bekannte Distanz von Seiten der Bedienung, aber sonst nichts. Leider wurden dann gegen 14 Uhr die Marktstände abgebaut und die meisten Läden schlossen. Ja, man hatte fast das Gefühl es würden hier gleich die Bürgersteige hochgeklappt. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, wie schon vorher geplant, nun noch gemeinsam etwas essen zu gehen.

Juliane und Jasmin im Hafen von Tönning

Dazu ging’s dann ein paar Kilometer weiter nach Tönning, wo wir am Marktplatz parkten und zu Fuß zum Hafen hinunter gingen. Ein kleines Geschäft mit tollem handgearbeitetem Schmuck im Fenster erregte unsere Aufmerksamkeit und kurz darauf fanden wir uns im Laden wieder. Dort ist man in der Lage, die Ketten und Armbänder auch in anderen Längen anzufertigen was besonders uns, mit den häufig doch ein wenig anderen Proportionen sehr entgegen kommt. So dauerte es auch eine ganze Weile bis wir unseren Weg fortsetzen konnten.

Am Hafen lud uns ein kleines, gemütlich aussehendes Restaurant zum Bleiben ein. Wegen des kalten Windes entschieden wir uns allerdings trotz der strahlenden Sonne gegen einen Sitzplatz auf der Terrasse. Wir suchten uns im Inneren einen Tisch am Fenster. Das Personal stellte schnell zwei Tische zusammen als sie bemerkten, dass es etwas eng wurde. Wie schon bei anderen Gelegenheiten kamen auch hier nach und nach fast alle Kellnerinnen einmal an unseren Tisch, um uns zu bedienen. Die zuerst vorhandene Distanziertheit wandelte sich schnell in echte Freundlichkeit, nachdem nichts weltbewegendes oder gar unangenehmes passierte. So waren wir schließlich offensichtlich ganz normale Gäste. Das Essen schmeckte vorzüglich und so dauerte es bis fast 16:30 Uhr bis wir wieder vor die Tür traten.

Von einem der dort sitzenden Männer (Macker) kam dann ein blöder Spruch, der offensichtlich Jasmin galt, aber von ihr kurz und trocken beantwortet wurde. Danach trat dann an diesem Tisch eine peinliche Stille ein und wir spazierten selbstbewusst zum Hafen hinunter. Es war schön in der Sonne spazieren zu gehen, die im Hafen liegenden Fischkutter anzusehen und nach einem Spaziergang von einer knappen halben Stunde kamen wir zu den Autos zurück. Hier musste ich erst einmal meine Schuhe wechseln, denn nach vielen Stunden Pflaster treten begannen sich die Zehen bemerkbar zu machen. So zog ich mir schnell zwar etwas höhere, aber sehr bequeme Pumps an, mit denen ich trotzdem noch gut Auto fahren kann.

Nach der Verabschiedung, die mit den obligatorischen Erinnerungsfotos eine Weile dauerte, fuhren dann alle nach Hause, wobei wir noch ein nettes Erlebnis hatten. Meine Frau wollte nämlich noch so einiges an frischem Gemüse einkaufen und auf der Strecke an der Küste entlang hielten wir deshalb an einem der zahlreichen Hofläden.

Weit und breit war niemand zu sehen als wir unsere Klappboxen mit Kohlköpfen, Kartoffeln und sonstigem zu füllen begannen. Endlich kam ein älterer Mann aus der Scheune herangestiefelt und begann umständlich alles zusammen zu rechnen. Dabei schaute er mich immer wieder sehr interessiert an, während ich die Sachen mit meinen laut klappernden Metallabsätzen zum Auto trug. Erst als wir schon alles eingepackt hatten und weiter fahren wollten, wurden wir gewahr das an allen möglichen und unmöglichen Stellen die Erntehelfer hervor lugten und uns zwei taxierten.

Den Herren war das offensichtlich nicht ganz geheuer dass da zwei Ladys in Röcken und Pumps herumstöckelten denn so richtig gezeigt haben sie sich alle nicht. Wir mussten bei der Weiterfahrt darüber herzhaft lachen und bestimmt sind wir in dem kleinen Dorf in Dithmarschen einige Zeit Tagesgespräch gewesen.

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass man(n) auch als Frau ohne große Probleme unterwegs sein kann wenn frau sich nur entsprechend fraulich kleidet und verhält, sich dezent schminkt und sicher aber freundlich auftritt. Wir jedenfalls werden auch weiterhin gelegentlich Ausflüge unternehmen, denn es macht zum einen sehr viel Spaß und nebenbei auch sicherer im Umgang mit den Mitmenschen. Nur wenn –Die Anderen– merken das wir eigentlich harmlos sind, wir uns wie Frauen kleiden und verhalten, werden wir auch als solche akzeptiert werden.

Juliane