Caroline - Teil 3

Diesmal erwache ich von den ersten Sonnenstrahlen die gegen 8 Uhr vorwitzig durch den Spalt des Vorhangs in mein Schlafzimmer fallen. Der Blick nach draußen zeigt mir einen strahlenden Spätsommermorgen. Auch aus dem Wohnzimmerfenster nach Westen hin fast wolkenlos. Der Wetterbericht für Norddeutschland passt hier oben zwar nicht immer, aber mit ein bisschen Erfahrung im lesen der Satelitenbilder im Wetterbericht bin ich in der Lage das Wettergeschehen einigermaßen einschätzen zu können. Heute wird es so bleiben! Erst in der Nacht, oder morgen früh kommt das nächste Tief.

Deshalb will ich auch unbedingt raus heute. Das heißt Caroline will raus. Wohin weiß ich noch nicht genau, aber ich will dorthin wo ich weiter ausprobieren kann wie ich auf andere Menschen wirke, wie sie auf mich reagieren und, ganz wichtig, wie ich die Begegnungen mit anderen Menschen durchstehe. Denn immer noch habe ich unheimlich Bammel davor das mich die anderen vielleicht negativ sehen, mich eventuell sogar anmachen, anpöbeln, oder gar schlimmeres. Angst habe ich davor dass mich jemand anziehend finden könnte und mir an die Wäsche will. Der Gedanke wie ich reagieren soll wenn mich ein Mann anspricht, weil er eben doch nicht mitbekommen hat was ich bin, oder der gar auf Transis steht, macht mir Angst.

Deshalb will ich heute nach Lemvig fahren und dort ein bisschen durch die Fußgängerzone gehen. Falls ich das schaffe, -wohlgemerkt falls, will ich dann dort sogar in den Supermarkt gehen und einkaufen. Vielleicht kann mich ja sogar überwinden und als Caroline in den kleinen Modeladen gehen, in dem ich als Stefan am Samstag den Rock gekauft habe, den ich dann bei meinem ersten Outdoor Erlebnis getragen habe. Der gleiche Rock war auch noch einmal in Grautönen da und gefiel mir ebenfalls ganz gut. Vielleicht wäre es auch gar keine so schlechte Idee den braunen Rock heute anzuziehen? Dazu eine schöne seidig glänzende Strumpfhose und die bequemen braunen Velourslederpumps? Eine saubere weiße Bluse hängt noch im Schrank und der braune Blazer passt dazu ganz gut.

Ich dusche erst einmal und rasiere mich. Dann steht ein gutes Frühstück auf dem Plan, denn wenn ich heute wieder als Caroline unterwegs bin fällt das Mittagessen mal wieder aus. Als das Geschirr abgespült ist werde ich schon ganz kribbelig. Ich habe das Gefühl das heute etwas passiert, aber ich habe keinen blassen Schimmer was das sein könnte. Wird Caroline heute etwas schlimmes erleben, oder wird das heute die Initialzündung für meinen Frauen-urlaub.

Knapp eineinhalb Stunden später bin ich endlich fertig. Wieder einmal zwar kräftig und deckend, aber in den Farben dezent geschminkt. Gut, eine zum Einkauf gehende Hausfrau sieht anders aus, aber ich bin ja auch eine etwas aufgebrezelte Urlauberin. Der knielange, enge Tweedrock sitzt gut. Der Blazer passt farblich dazu, die Strumpfhose ist hauchdünn, glänzt jedoch recht kräftig. Meine brauen Pumps mit den halbhohen Absätzen zwingen mich zusammen mit dem engen Rock zu femininen kleinen Schritten, ermöglichen mir gleichzeitig aber einen sicheren Gang, auch auf dem Pflaster der Fußgängerzone in Lemvig. Der Inhalt meiner blauen Handtasche muss in die hellbraune umgepackt werden, eine richtig zu den Velourslederpumps passende habe ich leider noch nicht. Dann bin ich fast fertig und stecke zum Schluss ein paar Ringe auf, lege eine Halskette aus Bernstein an und die dazu passenden Ohrclips, sowie einen mit Bernstein besetzten Silberarmreif.

Es ist noch nicht einmal halb elf als ich fertig gestylt an der Tür stehe. Wieder einmal flattern Schmetterlinge in meinem Bauch, denn ich habe trotz meiner guten Erfahrungen der letzten Tage doch immer noch ziemlich Bammel als Frau gekleidet auch hinaus zu gehen. Äußerlich mag ich mittlerweile, jedenfalls aus der Entfernung, als Frau durchgehen, aber vom Gefühl her bin ich noch immer ein Mann. Ein Mann der Frauenkleider trägt und damit für viele die das wüssten bestimmt ein Freak.

Aber, so rede ich mir selbst gut zu, die meisten werden das gar nicht bemerken. Wenn ich nur daran denke mich einigermaßen feminin zu bewegen und die typisch weiblichen Gesten kopiere kann eigentlich gar nichts geschehen. Nur meine Stimme verrät mich noch, das weiß ich, aber daran werde ich arbeiten müssen. Die Videoaufnahmen von mir, die ich mir gestern noch einmal angesehen habe, zeigen jedenfalls eine Frau. So trete ich schließlich aus der Tür und gehe zum Auto. Auf den etwas kräftigeren Absätzen meiner Velourslederpumps sinke ich auf dem Sandboden auch längst nicht so ein wie noch gestern auf den hohen dunkelblauen Stöckeln. Keiner der Nachbarn ist zu sehen und nach wenigen Sekunden bin ich am Auto.

Der Weg nach Lemvig ist mir vertraut und schon gute 20 Minuten später bin ich am Hafen der kleinen Stadt. Es ist ganz gut was los hier, aber ich finde noch einen freien Parkplatz und nach einem Augenblick der Besinnung steige ich trotz der zahlreichen Passanten aus. Niemand kümmert sich offensichtlich um mich und ich beschließe als ersten Vorstoß zu ALDI hinüber zu gehen. Zwar könnte ich auch hinfahren, aber ich will ja gerade sehen wie die Leute auf mich reagieren.

Natürlich geschieht wieder einmal nichts. Oder fast nichts, wenn man einmal davon absieht das mich zwei Männer sehr direkt anstarren als ich am Überweg die Straßenseite wechsle. Aber ich denke die beiden werden sicher jeder Frau hinterher starren die hier im Rock vorbei kommt. Nach kurzer Zeit bin ich beim ALDI-Markt angekommen und nach tiefem durchatmen gehe ich dann auch hinein. Mit meinem Einkaufswagen schiebe ich wie so viele andere Kundinnen auch zwischen den Regalen umher. Meine Pumps sind ganz gut zu hören auf den Fliesen, aber längst nicht so laut wie die Metallabsätze am Vortag in der Galerie. Es ist mehr ein Pochen als ein lautes Klappern wie gestern. Ich lege ein paar Sachen die ich brauche in den Wagen und bin schnell an der Kasse. Nichts aufregendes geschieht, nur ein kleines Mädchen von vielleicht 3-4 Jahren schaut mich eine ganze Zeit lang an, als ich in der Schlange warten muss. Ich überlege wie eine richtige Frau wohl reagieren würde und beschließe einfach einmal das Mädchen anzulächeln. Als Mann würde ich so etwas niemals machen, das könnte von den Müttern schnell falsch verstanden werden. Die Kleine grinst zurück und ich werde dadurch abgelenkt das ich meine Sachen auf’s Band legen kann. Die Kassiererin guckt kaum hoch wer dort an ihrer Kasse steht und wenige Sekunden später ziehe ich mein Portemonnaie aus der Handtasche und zahle.

Als die wenigen eingekauften Sachen in einem Karton verstaut sind, schiebe ich den leeren Einkaufswagen wieder nach draußen. Auf dem Weg zum Auto komme ich direkt unten am Hafen an einem winzigen Laden vorbei der Taschen anbietet. Reisetaschen, Handtaschen, kleine Koffer, alles aus Leder und recht preiswert. Eine braune Handtasche zieht meine Blicke auf sich. Die passt viel besser zu meinen Pumps als die hellbraune Glattledertasche die ich heute morgen genommen habe und die schon leicht speckig aussieht. Der Preis von nur 79 dkr ist umgerechnet mit ca. 10 € auch recht günstig, die möchte ich haben. Mit schnellen kleinen Trippelschritten und laut pochenden Absätzen eile ich zum Auto zurück und stelle meine Einkäufe in den Kofferraum. Dann gehe ich zurück zum Ledergeschäft. Ich gucke erst einmal ob Kunden im Laden sind und als er sich als leer herausstellt trete ich kurzentschlossen schnell ein. Eine auf den ersten Blick ausländisch, südländisch aussehende junge Dame begrüßt mich. Ich tippe zuerst auf Türkin, oder Asiatin, bis mir einfällt das hier eine ganze Menge Inuit aus Grönland leben. Die gehören ja auch zu Dänemark und so ein freundliches junges Ding steht jetzt vor mir. Nach wenigen Worten erkennt sie mich als deutsche Kundin und ich zeige auf die braune Wildleder Handtasche im Schaufenster. Sie guckt etwas erstaunt, wundert sich bestimmt über meine Stimme, holt die Tasche jedoch flink mit einem langen Stab heraus und reicht sie mir. Ich finde sie hübsch, halte sie kurz neben meinen angehobenen Fuß und stelle fest das Schuh und Tasche gut miteinander harmonieren. Sie hat drei Fächer die alle einzeln mit einem Reißverschluss versehen sind. Außerdem eine weitere Innentasche für Papiere und ein Fach für ein Handy. Ich lächle der jungen Frau zu und sage ihr mit meinen wenigen Dänischkenntnissen das ich die Tasche gerne kaufen möchte.

Bei meiner Stimme zuckt die Verkäuferin wieder sichtlich zusammen, hat sich aber sofort wieder unter Kontrolle. Sie nimmt den 100 Kronenschein und reicht mir das Wechselgeld. Dann will sie die Tasche in einer Plastiktüte verpacken, aber ich versuche ihr zu erklären das ich sie gleich benutzen möchte. Sie erkennt meine Bemühungen, lächelt vielsagend und beginnt das Füllpapier aus den Fächern zu entfernen.

Eigentlich hatte ich vor am Auto den Tascheninhalt zu wechseln, aber jetzt mache ich es gleich hier. Sie lächelt dabei die ganze Zeit über freundlich, während ich Papiere, Schlüssel, Schminksachen, Handy und diversen Kleinkram aus- und wieder einpacke. Als ich ziemlich zum Schluss auch noch meine obligatorische Ersatzstrumpfhose umpacke schaut sie fragend.

Ich tippe auf mein Bein, mache ein sirrendes Geräusch und lasse dabei den Finger vom Knöchel zum Knie hinaufwandern. Sie lacht, sagt irgend etwas auf dänisch und wenn ich sie richtig verstanden habe weiß sie nun das ich Laufmaschen hasse. Beschwingt verlasse ich den kleinen Laden und die junge Inuit schaut mir von der Tür her noch lange nach. Am Auto lasse ich die hellbraune Handtasche beim Karton mit den Einkäufen zurück. Jetzt werde ich mal ganz vorsichtig die Fußgängerzone erkunden und dann nachher noch schnell in den Supermarkt gehen um frisches Fleisch und Gemüse zu kaufen.

Wenige Minuten später bin ich in der kleinen Fußgängerzone von Lemvig unterwegs. Hier ist doch einiges los und zahlreiche Menschen bevölkern die schmalen Gassen. Keiner schaut jedoch ungebührlich lange und ich werde ruhiger und sicherer. Dann bin ich an dem kleinen Modelädchen angekommen in dem ich am Samstag meinen Tweedrock gekauft habe. Draußen auf dem Ständer ist jedoch keiner in schwarz oder grau zu sehen, da muss ich wohl oder übel in den Laden hinein. Das erweist sich als ganz einfach, denn die junge Besitzerin steht in der Türöffnung und lächelt mich bereits freundlich an. Sollte sie sich an mich, oder besser Stefan erinnern, der am Samstag den braugemusterten Rock gekauft hat den ich jetzt trage? Oder hat sie mich erkannt? Sie fragt, auf dänisch zuerst, dann, als ich leise auf deutsch antworte, in ihrem niedlichen dänisch-deutsch ob sie mir helfen kann.

Ich zeige auf meinen Rock und frage ob sie den auch noch in grau hat und ihre einzige Frage ist die nach der Größe. Ich sage ihr das ich Größe 42 brauche, oder vielleicht 44, das muss ich ausprobieren. Dieser Rock hat 42 und sitzt gut. Das bestätigt sie mir und meint, während wir in den Laden hinein gehen, ich hätte ein wunderschönes Gesicht und tolle Beine. Zuerst freue ich mich über das Kompliment, aber dann nagt der Zweifel an mir ob sie das ehrlich meint, oder einfach nur verkaufen will.

Die Verkäuferin hat inzwischen mit geübtem Griff einen Tweedrock in verschiedenen Grau-tönen vom Ständer genommen und schiebt mich in Richtung Umkleidekabine. Sie schließt den Vorhang hinter mir und ich ziehe meinen braunen Rock herunter. Der graue passt anschließend wie für mich gemacht. Auch die Länge stimmt! Im stehen reicht er bis zur Mitte meiner Knie, und er ist genauso schön eng geschnitten wie der braune. Den Rock nehme ich! Trotzdem trete ich noch hinaus und vor den Spiegel um mich einmal ganz zu sehen. Perfekt! Nur die braunen Velourslederpumps passen jetzt überhaupt nicht zu dem Grau des Rocks. Das versucht auch die Verkäuferin mir zu erklären und ich erzähle ihr das ich Schuhe habe die dazu passen und nur heute zu dem braunen Rock extra die braunen Pumps angezogen habe. Sie ist zufrieden, fragt aber gleich noch ob ich nicht vielleicht einen grauen Pulli oder ein Shirt zu dem Rock haben möchte. Geschäftstüchtig ist sie, das muss ich ihr lassen. Bevor ich noch richtig überlegt habe hält sie einen Pulli in den Händen. Ich soll ihn doch bitte einmal anziehen meint sie. Es ist ein Pulli aus einem seidigen, weichen Garn und fühlt sich richtig gut an. Ich lasse mich überreden ihn überzuziehen, nicht ohne sie darauf hinzuweisen das ich eventuell Make up Flecke hinein machen könnte. Sie lacht, meint das wird schon nicht passieren und schiebt mich zurück in die Kabine. Nun muss ich erst einmal meine Bluse ausziehen und dann ganz vorsichtig den Pulli über den Kopf bekommen. Die Perücke muss dazu allerdings auch herunter und ohne an meinem Gesicht hängen zu bleiben bekomme ich den Pulli angezogen. Nachdem der Saum herunter gezogen ist, der Pulli richtig sitzt und auch meine Perücke, trete ich noch einmal vor den Spiegel. Sie steht da und strahlt. Das ist genau das richtige Oberteil zu dem Rock, das finde ich auch. Die feinen, bläulich silbergrauen, seidigen Maschen machen sich gut. Die Größe stimmt, der Schnitt passt auch und der V-Ausschnitt streckt unheimlich. Recht preiswert ist das Vergnügen auch noch. Ich beschließe beides zu nehmen.

Nachdem ich einige Minuten brauche, um mich wieder in die Bluse und den braunen Rock zu kleiden, hat sie schon die grauen Sachen entgegen genommen und an der Kasse ver-packt. Knapp 400 Kronen blättere ich daraufhin auf den Ladentisch, aber das ist es mir wert. Als ich dann den Weg nach draußen antrete verabschiedet sich die Verkäuferin von mir und meint ich solle doch ruhig in den nächsten Tagen wieder einmal vorbei schauen, sie bekommt Mitte der Woche neue Ware. Und, als ich schon an der Tür bin, folgt der Satz sie fände unheimlich toll das ich so feminin gekleidet unterwegs sei und bei ihr im Laden bin ich stets willkommen. So sicher und perfekt geschminkte und flott gekleidete Lady’s sind ihr die liebsten Kunden.

Ich bin mittlerweile auf Wolke 7 angekommen. Gehe mit kleinen, schnellen Schritten, die Tüte mit den Klamotten in der Hand die Strasse entlang. Das übernächste Geschäft ist noch ein Laden der Klamotten führt, aber leider ist es mehr so der Girliestyle, so etwas steht mir nicht. Aber das Schuhgeschäft an der nächsten Ecke hat es mir angetan. Hübsche und wie ich finde feminine Schuhe sind im Fenster zu sehen. Keine Klumpsohlen und Klotzabsätze, nein richtige Damenschuhe. Aber ob die auch etwas in Größe 42 führen? Ich beschließe es darauf ankommen zu lassen und trete, allerdings mit gemischten Gefühlen, ein.

Sofort stürzt sich ein junger Mann auf mich und fragt mich womit er mir dienen könne. Ich antworte leise auf dänisch das ich mich erst einmal nur umsehen möchte und, als ob bei ihm ein Schalter umgelegt wurde, nimmt er bei meiner Stimme ganz plötzlich eine abwehrende Haltung ein.

Ich lasse ihn stehen und gehe in die Damenschuhabteilung hinüber. Eine wirklich er-staunliche Auswahl an Schuhen haben die hier und nach einigem Suchen finde ich flotte Pumps mit etwa 5 cm hohen zierlichen Absätzen in einem ganz hellen Cremeton. Allerdings sind sie nur bis Größe 40 da, während andere Schuhe aus dem selben Regal auch in 41 und teilweise 42 zu finden sind. Eine ältere Verkäuferin reißt mich aus meinen Gedanken. Sie will wissen ob ich den zweiten Schuh einmal anziehen möchte. Nachdem ich ihr versucht habe klarzumachen das ich Größe 42 brauche und die nirgends finden kann verspricht sie einmal im Lager nachzuschauen. In der Zwischenzeit gucke ich auch einmal am Ende des Regals in einer geräumigen Ecke nach und sehe Pumps und Sandaletten im Sonderangebot. Klar, es ist bereits September und in der nächsten Saison sind die Sommerschuhe fast unverkäuflich. Gleich auf Anhieb fällt mir ein Paar weiße mit etwa 5-6 cm Hacken in Größe 42 ins Auge. Die sehen gut aus und auch die Form und Höhe des Absatzes gefallen mir. Ich schlüpfe aus meinen Pumps und ziehe die Sandaletten an. Sie passen perfekt! Auch der Riemen mit dem Druckknopf lässt sich gut schließen als ich die Schnallen ins letzte Loch gefädelt habe. Die nehme ich auf jeden Fall! Die Verkäuferin ist inzwischen zurück und hält mir freudestrahlend einen Karton entgegen. Die cremefarbenen Pumps in 42. In der Zwischenzeit setzte ich mich wieder, ziehe die Sandaletten schnell aus und lege sie an die Seite. Mit Hilfe eines Schuhlöffels schlüpfe ich in den rechten Pumps. Er ist ein wenig eng, aber aus Leder, solche Schuhe weiten sich noch, das weiß ich aus Erfahrung. Der linke sitzt gleich etwas besser, da werde ich keine Probleme haben. Ich stehe auf und gehe ein paar Schritte bis zum Spiegel. Toll sehen diese Pumps aus und sie passen sogar auch zu dem Tweedrock den ich trage denn er hat einen sehr hellen Faden mit eingewebt. Ich drehe mich einige Male hin und her und bewundere meine Beine, als die Verkäuferin wieder neben mir steht. Eigentlich sind mir die Pumps ein wenig zu eng und ich versuche das der Verkäuferin auch klar zu machen. Sie drückt und prüft dann daran herum. Schließlich kommt sie mit einer winzigen Sprühflasche wieder die sich als Schuhdehner entpuppt. So etwas kenne ich schon, das habe ich bei meinen Schuhen auch schon angewandt. Sie redet auf dänisch auf mich ein, bis ich verstehe das sie mir das Dehnspray gratis dazu geben will wenn ich die Pumps nehme. Überredet! Sie kann alles einpacken.

Auf dem Weg zur Kasse fällt mein Blick auf einen weiteren Ständer mit TILBUD, dem dänischen Wort für Sonderangebot, gleich neben der Tür. Ein Paar dunkelrote Pumps zieht meinen Blick auf sich. Aus weichem Leder mit einem etwa 6 cm hohen naturfarbenen Absatz. Die müssten wunderbar zu meinem dunkelroten Rock passen. Sie sehen schon ziemlich groß aus und richtig, es ist ebenfalls 42! Ich kann gar nicht anders als sie zu nehmen und gleich hier im stehen anzuprobieren. Also raus aus dem braunen Pumps und leicht gleitet mein bestrumpfter Fuß in den roten. Der zweite passt auch, ist nur, wie eigentlich immer bei mir, ein wenig enger. Die Absatzhöhe ist ein Stück höher als bei den braunen, aber noch nicht so hoch wie bei den blauen die ich gestern trug. Also durchaus noch als bequem anzusehen. Nun flink wieder zurück in die braunen und auf den Preis der roten geschaut. 210 Kronen nur, das ist günstig, die nehme ich auch noch mit.

Die Verkäuferin strahlt als ich ihr das dritte Paar Schuhe hinstelle, sie hat heute gut Umsatz gemacht. Ihr junger Kollege der sich vorhin erschreckt von mir abgewandt hat steht derweil noch immer beschäftigungslos in der Ecke.

Bepackt mit zwei großen Tüten und mit den besten Wünschen versorgt werde ich dann sehr herzlich verabschiedet. Auch sagt mir die Dame ich solle doch in den nächsten Tagen ruhig wieder einmal herein schauen, sie würden die Ecke mit den Sonderangeboten immer mal wieder auffüllen. Außerdem könnte sie mir wenn ich möchte ganz speziell die großen Größen aus dem Lager heraussuchen. Dort liegen noch viele Paare in 41 und 42 die aber hier nicht unbedingt so gehen würden. Ich sage begeistert zu. Am Donnerstag, so verab-reden wir, werde ich wieder herkommen und mir die Schuhe in 42 alle ansehen. Die Chance ganz gezielt meine Größe herausgesucht zu bekommen möchte ich mir nicht entgehen lassen An der Tür gibt mir die Verkäuferin, die mir sagt ich solle am Donnerstag nach Annagreta fragen, dann noch leise zu verstehen dass sie es ganz toll findet das ich als Frau gekleidet einkaufen gehe. Sie wünscht mir viel Glück und das ich viel Spaß an den Schuhen habe.

Ich gehe jetzt erst einmal zurück zum Auto und lasse die Tüten dort. Ein paar tiefe Schlucke aus der Wasserflasche beleben mich wieder neu. Nun muss ich aber noch zum Supermarkt. Ich beschließe den Weg dahin zu verlängern indem ich die andere Seite der Fußgängerzone nehme. Deshalb gehe ich zuerst hinauf zur Kirche. Dort oben ist noch ein zweites Schuhge-schäft und auch das Damenmagazin, ein schon ein wenig in die Jahre gekommenes Mode-geschäft. Der Schuhladen entpuppt sich als Filiale eines Schuhdiscounters, nichts was mich reizen könnte, nur billiger Ramsch. Das Damenmagazin hat Schaufenster im alten Stil. Darin Puppen in tollen Kleidern, Kostümen, Hosenanzügen und Mänteln. Alles klassischer Stil und die Schaufensterpuppen tragen sogar alle farblich passende Strümpfe und schwarze Pumps. Der Laden wird, das habe ich in der Touristenzeitung gelesen, von zwei älteren Schwestern geführt, so etwas gibt’s wohl auch nur noch in Kleinstädten auf dem Lande. Ich schaue mir die Ständer mit den Angeboten vor der Tür an, beschließe aber an einem der nächsten Tage noch einmal herzukommen. Heute habe ich schon viel Geld ausgegeben und außerdem braucht Caroline ja auch noch Ziele für die nächsten Tage.

Im Übrigen wächst ganz langsam der Gedanke das ich mein Glück nicht überstrapazieren soll. Ich habe heute schon so viel schönes erlebt das bestimmt irgendwann auch einmal etwas negatives kommen muss. So gehe ich das kurze Stück zum Supermarkt und hier in dem Gedränge bekomme ich wieder einmal ein ungutes Gefühl. Was ist wenn hier jemand hinter mein kleines Geheimnis kommt? Trotzdem trete ich ein, greife mir einen Korb und gehe, die Wäsche und Kleidungsabteilung links liegen lassend, gleich durch zur Fleischabtei-lung. Schnell habe ich die wenigen Sachen die ich brauche, lege noch schnell etwas Obst dazu und mache mich auf den Weg zur Kasse.

In der Schlange fühle ich mich wieder unwohl. Hier bin ich gefangen, kann nicht weg und hier bin ich den Blicken der Anderen längere Zeit ausgesetzt. Trotzdem geht alles glatt und nachdem ich gezahlt habe und meine Einkäufe im Netzt verstaut sind werde ich wieder ruhiger. Draußen atme ich tief durch und mache mich auf den Weg zum Parkplatz am Hafen. Ich hätte auch hier zentral parken können, aber ich wollte ja zu Fuß durch die Strassen gehen. Und es war ja auch schön!

Es ist immer noch schön, korrigiere ich mich selbst. Es ist wunderschön als Frau gekleidet durch die Strassen und Gassen zu gehen. Den Wind an den dünn bestrumpften Beinen zu spüren, das typische Pochen meiner Absätze auf dem Pflaster zu hören und ganz einfach Frau zu sein ohne das es vielen Menschen auffällt.

Ganz beschwingt komme ich am Auto an und verstaue meine Einkäufe. Dann geht’s zurück nach Trans und ohne auf die Nachbarn zu achten gehe ich zum Haus. Ja ich gehe sogar insgesamt dreimal, denn ich muss ja alle meine Einkäufe ins Haus bringen. Mittlerweile genieße ich es fast schon ein wenig auch hier ganz Frau zu sein.

Nachdem ich mir eine Tasse Espresso gemacht habe und ein Stück Kuchen dazu, setzte ich mich auf die Terrasse in die Sonne. Leider ist der Wind recht heftig und so ziehe ich um auf die Südostseite neben die Haustür. Dort ist geht mein Blick zwar nicht so schön hinaus auf die See, aber es ist windgeschützt. Mit einem Buch mache ich es mir gemütlich und nach einer halben Stunde hole ich mir noch einen Hocker heraus, wickle mich in eine dünne Woll-decke und lese mit hochgelegten Beinen bis gegen 16 Uhr.

Nun möchte ich eigentlich noch einmal zum Strand. Also alles einräumen, umziehen in die rote Jeans von gestern, einen Pullover und die rotbraune Jacke. Die Gummistiefel sind Pflicht für mich, sonst habe ich über kurz oder lang nasse Füße. So ausgerüstet gehe ich, auch auf den Gummistiefeln bewusst kleine schmalspurige Schritte machend, zum Strand hinunter. Heute gehe ich nach Norden, an der Steilküste entlang. Nur wenige Leute sind unterwegs und ich hänge meinen Gedanken nach während ich nach hübschen Muscheln und Steinen Ausschau halte.

Ich glaube fast ich kann es wagen und die ganzen drei Urlaubswochen als Frau verbringen. Seit Samstag bin ich eigentlich nonstop Frau gewesen und es wurde immer schöner und selbstverständlicher für mich. Gewünscht einmal eine ganze Woche Frauenkleidung zu tragen, habe ich mir schon seit der Scheidung von meiner Ex. Bisher beschränkte es sich jedoch darauf für einen oder zwei Tage, oder ein Wochenende, und das auch nur Zuhause Caroline zu sein. Seitdem habe ich allerdings auch eine ziemlich rasante Entwicklung durchgemacht. Aber ich finde es gut so, ich mag und akzeptiere inzwischen meine weibliche Seite. Ich leide nicht darunter ein Mann zu sein, aber ich bin gerne auch Frau. Wenngleich auch nur optisch, eine Hormontherapie oder gar eine Operation kommt für mich nicht in Frage. Mir reicht es völlig wenn ich von Kopf bis Fuß als Frau gekleidet bin. Natürlich möchte ich dann auch als Frau wahrgenommen, gesehen und behandelt werden und deshalb ist es so wichtig das ich mich dann auch als Frau gebe, bewege und so handle. Was mir jedoch noch immer Angst einjagt ist die Vorstellung ein Mann könnte in mir wirklich eine Frau sehen und eventuell mehr von mir wollen. Oder noch schlimmer, und diese Angst ist manchmal sehr real, ein Mann der auf Transen steht, oder schwul ist, könnte mich sexuell belästigen. Zwar ist diese Art der sexuellen Orientierung nicht gerade weit verbreitet, aber es könnte ja immer einmal sein das ich an den falschen gerate. Trotzdem will ich versuchen die ganzen drei Wochen hier in Dänemark als Frau zu leben. Die ersten Tage waren geprägt von Begegnungen die im Prinzip erfolgreich verlaufen sind. Sieht man einmal von dem blöden Maler und dem Schuhverkäufer ab. Aber ich beschließe jetzt nicht aufzugeben, ich werde weitermachen. Bisher ist ja auch noch nichts schlimmes geschehen, und blöde Anmache bekommen bestimmt auch Biofrauen gelegentlich zu spüren. Um jedoch nicht allzu sehr aufzufallen werde ich versuchen mich nicht mehr stets so ganz ultrafeminin anzuziehen. Das bedeutet das ich auch mal in einer Hose losgehen werde, nicht nur wie jetzt zum Strand, sondern vielleicht auch einmal zum einkaufen.

Andererseits habe ich Zuhause eine nette Nachbarin die praktisch ganzjährig nur Röcke trägt. Sie mag keine langen Hosen und hat wahrscheinlich auch gar keine. Diese Dame trägt stets Röcke oder Kleider. Dazu meistens auch noch ziemlich hohe Schuhe und immer ein ausgefeiltes Make up. Aber sie ist eine Frau und bestimmt daran gewöhnt das ihr die Männer hinterher gucken und pfeifen. Aber deshalb falle auch ich im Rock stets auf, denn Röcke gehören leider nicht mehr zum gewohnten Bild in unserer Umgebung.

Ich bin inzwischen an der vierten Buhne angekommen und mache mich auf den Rückweg. Der Wind ist unangenehm geworden und Wolken haben den Himmel inzwischen komplett bezogen. Das angekündigte Tief kommt. Mit dem kräftigen Rückenwind und angenehmen Gedanken bin ich eine halbe Stunde später wieder im Haus. Jetzt wo die Sonne weg ist wird es gleich kühl im Haus und ich heize den Ofen an. Danach muss ich meine Perücke waschen. Sand und Salz haben ihr am Strand zusätzlich zu schaffen gemacht. Ich setze solange sie trocknet meine zweite auf. Die ist ähnlich, nur insgesamt ein wenig kürzer, aber die Farbe ist gleich und auch im Schnitt ähneln sie sich. Die Hose ziehe ich aus, dafür nehme ich jetzt meinen Jeansrock und die blau-weiß gestreifte Bluse. Diesen Alltagsdress mag ich auch sehr gerne, damit fühle ich mich fast wie eine Frau in Hausarbeitskleidung. Dazu ziehe ich meine neuen roten Pumps an um sie einzulaufen. Zwar passen sie von der Farbe her nicht, aber das ist hier im Haus egal. Den rechten Schuh sprühe ich dazu noch mit Dehnspray ein damit er sich weitet. Der linke passt auch schon so recht gut.

Nach dem Abendbrot muss ich zum telefonieren und beschließe dazu nur schnell in meine schwarzen Pumps zu schlüpfen, denn die Absätze der neuen roten würde ich hier im Kies schnell ruinieren. Die schwarzen haben 4 cm hohe Blockabsätze was sich auf Kies und Sand als durchaus tragbar herausgestellt hat. Sonst mag ich solche Klötze unter den Schuhen eigentlich nicht, aber hier haben sie durchaus ihre Berechtigung. Mit meiner Wolljacke drüber bin ich schnell an der Telefonzelle und rufe kurz meine Eltern an.

Es geht ihnen gut und nach dem Telefonat gehe ich noch ein Stück den Weg hinauf bis ich weit über die Nordsee schauen kann. Doch der Wind ist eklig kalt geworden, hat auf Nord gedreht und weiter aufgefrischt. So gehe ich schnell zurück ins warme Haus. Als ich schon wieder drinnen bin fällt mir ein das im Kofferraum noch ein Sack Feuerholz liegt und ich hole ihn schnell herein.

Als sich ein furioses Abendrot ankündigt fahre ich ganz spontan noch einmal mit dem Auto zum Leuchtturm um das Farbenspiel zu fotografieren. Nur mit der dünnen Wolljacke drüber stehe ich an der Steilküste und genieße das Himmelsschauspiel. Doch es wird kalt und nun auch schnell dunkel, so verbringe ich den Abend nach leckerem Essen, nachdem der Ab-wasch erledigt ist, wider einmal mit Fernsehen.

Weiter mit Teil 4